Mit dem Mittelrhein auf Augenhöhe – eine Expedition ins Bergwerk

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Man hört rechts – und linksrheinisch bei St. Goarshausen und St. Goar immer wieder dieses Gerücht: alte Gänge unter dem Rhein, Stollen, Rheinsolen, die unter Wasser stehen und von einer Gruppe von Tauchern, die das Ganze erkunden.

Der Tauch-Profi

Peter de Costa ist einer dieser Taucher.
Die „Arge Blautopf“ ist eine Gruppe von Höhlentauchern mit derzeit 21 Mitgliedern. Peter de Costa gehört zur diesen professionelle Höhlentaucher aus der Schwäbischen Alb. 1994 hat er mit dem Höhlentauchen angefangen.

Ich treffe ihn um 10 Uhr in Ehrenthal auf dem Parkplatz der Klosterschenke.
Es ist ein heißer Tag, die Sonne scheint grell.

Er zeigt mir den Eingang zum Stollen auf der rechtsrheinischen Seite: Direkt hinter dem Ortsausgang kommt ein kleiner Bachlauf, der zum ehemaligen Stollen führt. Kaum höher als 1,70 Meter und breiter als 1,20 Meter. Davor ist ein Gitter.
„Das hat auch seinen Grund!“, sagt Peter de Costa. „Da hineinzugehen ohne das nötige Wissen, ist lebensgefährlich.“
Der CO2-Gehalt ist sehr hoch, wenn man ihn merkt, dann ist es schon zu spät. CO2 ist geruchlos, manch einer bekommt Kopfschmerzen, man wird ohnmächtig und stirbt.

Kohlenstoffdioxid und das grundsätzlich gefährliche Kohlenstoffmonooxid bildeten sich Untertage vor allem durch die Maschinen und Menschen, die den Sauerstoff verbrauchten. Da es keine ausreichende Luftzufuhr gab, blieben die Gase stehen. Um das Bergwerk zu beatmen, gab es sogenannte Wettersohlen, die das Untertage-System mit Sauerstoff versorgten.
Zur seiner eigenen Sicherheit besaß der Bergmann eine Grubenlampe, die ihm anzeigte, wann der der CO2-Gehalt zu hoch war: Fiel der Sauerstoffgehalt auf 17 Prozent, ging die Grubenlampe aus.
Vor der Grubenlampe existierte der Wellensittich-Test: Bergleute hatten Wellensittiche im Stollen dabei, starben diese, war der Bergmann besser dran, wenn er den Schacht verließ.

Das Bewettern in dem Stollen, wo wir uns gerade befinden, funktioniert nicht, der Luftzug sei weitgehend zerstört. Peter de Costa zeigt auf die Steine, die vor dem Stollen-Eingang im Wasser liegen. Diese sind rötlich-schlammig verfärbt. „Das kommt aus dem Inneren des Stollens. Wenn ich gleich durch das Wasser wate, kann man das nachher im Rhein sehen. Ein rötlicher Bach wird dann in den Rhein münden. Da löst sich richtig viel.“

Das Wasser kommt aus der Tiefe des Stollens und hat eine Temperatur von ca. 15 Grad. „Die Temperatur ist ungewöhnlich warm.“ Den Grund dafür wisse er nicht, sagt de Costa.
Der Schacht, durch den er gleich tauchen wird, ist 2 x 1,5 Meter breit. Er führt 30 Meter tief auf die erste Sohle.
Sohlen sind die Stockwerke des Bergbaus. Teufe ist die bergmännische Bezeichnung für Tiefe. Die Teufe gibt an, wie tief ein Punkt unter der Tagesoberfläche liegt. Höhe wird von einer Bezugsfläche nach oben gemessen.

Peter de Costa ist ausgebildeter Höhlentaucher. Ohne die professionelle Ausbildung wäre es lebensgefährlich in einen Stollen zu gehen.
„Die Sicht ist oft sehr schlecht. Man sieht teilweise nicht mehr seine eigene Hand. Durch kleine Bewegungen wird alles aufgewirbelt. Man sieht nicht, wo man hinschwimmt.“ In den ersten Tauchgängen haben sie hauptsächlich umher schwimmendes Material entfernt, um weiter in den Stollen reinzukommen. Die Gänge waren teilweise mit Holz und anderen Materialen versperrt. Die Taucher von „Arge Blautopf“ haben Leinen zur Orientierung gezogen.
Die Sohle unter dem Rhein soll angeblich mehr als 160 Meter tief sein. Beim letzten Treffen waren sie eine Gruppe von acht bis zehn Tauchern. Heute kommt er alleine.
Ob das nicht gefährlich sei, alleine zu tauchen, will ich wissen.
„Prinzipiell schon. Aber im Stollen ist es so eng und man sieht kaum etwas, da ist es fast sicherer die Verantwortung nur für sich selbst zu tragen, als noch im Hinterkopf zu haben, da ist eine zweite Person, der potenziell etwas passieren könnte.“

Bis zu zwei Stunden reichen die zwei Sieben-Liter-Flaschen. Es ist ein doppeltes Sicherheitssystem, alles ist zweimal vorhanden: die Pressluft (für tiefere Tauchgänge benötigt er andere Gasgemische), zwei Druckmesser und zwei Tauchcomputer, die die Tauchzeit anzeigen und auf welcher Tiefe Stopps einzulegen sind.
Bei Tauchgängen, die auf 30 Meter und tiefer gehen, muss man sogenannte Dekompressionsstopps einlegen: etwa auf 9, 6 und 3 Metern. Durch den hohen Druck während der Aufenthaltsdauer unter Wasser lagert sich im Gewebe immer mehr Stickstoff an. Würde man einfach auftauchen, hätte das einen ähnlichen Effekt im Gewebe, wie wenn man eine Sprudelflasche schüttelt.
Insgesamt sind es zwischen 40 und 50 Kilogramm Gepäck, die Peter de Costa mit in den Stollen nimmt. Zum Abtauchen bindet er sich Blei um, da der Neoprenanzug einen Auftrieb hat. Das zusätzliche Gewicht hilft ihm, in die Tiefe zu kommen.
Er nimmt Schneidewerkzeuge wie eine Drahtschere mit, um sich aus Leinen oder Edelstahldraht zu befreien.
„Draht?“
„Jochen Hasenmayer, ein Höhlenpionier, hatte damals überall zur Orientierung Edelstahldraht statt Leinen verwendet. An sich keine schlechte Idee. Der Draht hält lange. Nur, wenn so ein Draht an den Pressluft-Flaschen hängt, will man sich die Folgen gar nicht ausmalen“, sagt de Costa.

Bergwerke sind im Vergleich zu einer Höhle recht gefährlich. Höhlen sind sicherer: Man spricht vom Druckdom-Phänomen, das in sich zusammenhält. In einer Höhle fällt nur etwas ab, was nicht mehr fest ist, sie sind eben naturgemacht. Ein Bergwerk, respektive Stollen wird durch Tragwerke gesichert, die einstürzen können. Dann stürzt in der Regel auch der Stollen ein.

Solange die Stollen mit Wasser geflutet sind, sorgt der Wasserdruck für Stabilität und sie sind „sicherer“. Fehlen das Wasser und der Druck, kann der Stollen wie ein Kartenhaus einfach in sich zusammenstürzen.

Jeder Taucher hat seine eigene Technik, um sich zu entspannen. In der Regel ist es wichtig, achtsam mit dem Körper umzugehen. Tauchen heißt ruhig bleiben, schnelles Atmen und Anstrengung unter Wasser sind nicht gut, können sogar gefährlich werden. Der Puls muss ruhig bleiben, jeder hat dafür seine eigene Übung.

Die Stollen sind zum Teil noch aus dem Mittelalter, es gibt Funde aus der Zeit der Kelten. Die Motivation für die Höhlentaucher ist die Tiefe und das Tauchen im Unbekannten, die Rheinsole. Bezahlt werden sie nicht dafür, das machen sie aus eigenem Interesse. Unter dem Rhein sind sie aber bisher nicht getaucht.

Ob man den Stollen für Besucher zugänglich machen könnte? „Sehr fragwürdig, der aktuelle Zustand des Bergwerks ist zu gefährlich, auch für den passionierten Sporttaucher ist das nichts!“, erklärt Peter de Costa eindeutig.

Der Eigentümer

Ganz anders sieht das Fredy Hanz. Seine Stimme klingt rauchig schwer am Telefon, im Hintergrund läuft Schlagermusik. Ich stelle ihn mir in einem großen Ledersessel vor, der auf einem Teppich steht.
Er hat die Vision, das Mittelrheintal mit einem besucherfreundlichen Bergwerk auszustatten und es der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Er hat die Grube Gute Hoffnung nach meinen Informationen sehr günstig erworben. Er ist jetzt ihr Eigentümer.
Nun kann er auf beiden Seiten des Rheins die Stollen betreten – bei St. Goar-Fellen/Werlau linkrheinisch und bei St. Goarshausen-Wellmich/Ehrenthal rechtsrheinisch.

Es ist eine Fläche 30 Quadratmetern mit einem Streckennetz von 50 Kilometern. Das Bergwerk ist ein Blei-Zink-Erzgebirge. Eine Verbindung von Hunsrück und Taunus quert den Rhein.
Die linksrheinische Grube wurde erstmals 1562 datiert, angeblich gibt es aber auch schon Hinterlassenschaften aus der Zeit der Kelten und Römer. Das betont Fredy Hanz immer wieder.

Fertiggestellt wurde die Rheinstrecke zwischen 1941 und 1944. Zu Beginn der 1950er-Jahre erfuhr die Grube eine kurze Blütezeit, wurde aber 1961 endgültig geschlossen.

Seit 1961 ist daher auch der Schacht unter dem Rhein ständig geflutet. Während der Betriebszeit mussten zuvor jeden Tag etwa 2000 Kubikmeter Wasser herausgepumpt werden, um die „Rheinunterführung“ trocken zu halten. Aus der ganzen Schachtanlage mussten 4600 Kubikmeter Wasser täglich abgepumpt werden.

Der Mahner

Eine klare Warnung gegen die Öffnung der Grube spricht deshalb Hans-Josef Kring aus. Kring war Erster Beigeordneter der Verbandsgemeinde Loreley, Ortsbürgermeister von Lykershausen und ist seit 18 Jahren ehrenamtlich für den Bergbau- und Landschaftspfad im Bereich Wellmich-Prath-Ehrenthal aktiv.

Er hält es für mehr als fraglich, ob es jemals ein Besucherbergwerk „Gute Hoffnung“ geben wird. Es gebe Stellen im Stollen, wo sich viel giftiges Cadmium und Blei gelöst habe. Die Einsturzgefahr sei zu groß und die Kosten, die Schachtanlage zugänglich zu machen, nahezu unkalkulierbar. Hinzu kämen die laufenden Kosten, um täglich mehrere Tausend Kubikmeter Wasser abzupumpen. Andere Besucherbergwerke in Rheinland-Pfalz überleben laut Kring nur mit Hilfe von Subventionen und ehrenamtlichem Engagement.

Mit dem Kauf der Grube hat Fredy Hanz jedenfalls große Verantwortung übernommen. Wenn Stollen einstürzen, ist dies mit unschätzbaren Risiken verbunden.

Faszinierend, aber zu gefährlich

Es sind faszinierende Bilder und Eindrücke, die Rainer Straub, Fredy Hanz und die Taucher von „Arge Blautopf“ aus der Grube „Gute Hoffnung“ und den gefluteten Schächten mitbringen. Die alte Schachtanlage wieder für Besucher zugänglich zu machen, erscheint mir als sehr teuer und voller Gefahren. Aber letztlich sollten Experten die Machbarkeit prüfen. Dann bleibt aber immer noch offen, ob sich Investoren dafür finden.

Bilder 1, 11-19 : © Rainer Straub, Bilder 2-10 : © Fredy Hanz

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