Das Ende einer Fernbeziehung

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Es ist an der Zeit, dass wir unsere Fernbeziehung beenden, das Obere Mittelrheintal und ich. Zeit für eine Annäherung. Oberes Mittelrheintal? Das klingt aber umständlich. Hört sich an nach Von-hinten-durch-die-Brust-ins-Auge. Und wenn man die Vokale weglässt, wie manche es ja machen, um cool zu sein sieht es leider nicht besser aus: Brsmttlrhntl. Naja, so heißt es aber nun mal, der Abschnitt entlang des Rheins zwischen Koblenz und Bingen. Die Rhein-Zeitung schreibt darüber: „Es ist eine der schönsten und eine der strapaziertesten Landschaften in Deutschland: 40 Burgen und Burgruinen mit Blick auf romantische Landschaft und ratternde Züge gibt es hier.“

Jetzt wohne ich also hier, um es mal ganz umständlich auszudrücken: Im südlichen Drittel des Oberen Mittelrheintals. Ich liebe die Provinz – Aber so weit ab vom Schuss habe ich noch nie länger gelebt. Niederheimbach ist der nächste Ort zur Burg Sooneck. Dort leben knapp 800 Einwohner. Auf Google Maps ist hier kein Supermarkt eingezeichnet. Der letzte Laden im Ort hat vor einiger Zeit dichtgemacht, ein ehemaliger Bäcker sagte mir am Straßenrand: „Das Dorf ist tot.“

Wollen wir doch mal schauen. Mein erster Eindruck: Man kann hier wandern, ohne Ende Wein trinken, Burgen angucken. Angeblich ist das hier: Der deutscheste aller deutschen Landstriche – puh, das ist ja mal ein Superlativ, an dem ich mich noch abarbeiten werde. Entlang des Rheins gibt es einige hübsche Ortschaften, durch die der Zug rauscht. Bacharach, Trechtlingshausen. Mir ist aufgefallen: Die Leute im Zugabteil werden ganz still, wenn man hinter Bingen ins Obere Mittelrheintal fährt. Manche scheinen regelrecht die Luft anzuhalten, sie drehen die Köpfe, wie Tenniszuschauer. Oh, rechts, eine Burg, oh links eine Festung, da oben der Loreleyfelsen, da guck mal, ein Schlösschen mitten im Wasser. Ein Raunen geht dann durchs Abteil. Aber es steigt ja keiner aus. Deshalb frage ich mich: Wie ist es hier wirklich? Ist das nur ein Potemkinsches Dorf, eine hübsche Pappkulisse? Die Touristikbehörden erzählen immer wieder vom romantischen Rhein. Aber was ist romantisch daran, wenn man 12 Kilometer fahren muss um sonntags frische Brötchen zu bekommen? Will ich alles rausfinden.

2 Kommentare

  • Roland says:

    Liebe Jessica, auch wenn dir jemand sein Backöfele ausleihen würde, wäre das keine Lösung für die Rheinromantik. Aber – du hättest morgens 12 km mehr Zeit und deine Texte zur „Romantik“ würden noch knuspriger! Guten Appetiet – rojo

  • Sascha says:

    Hallo Jessica,

    erstmal herzlich willkommen im Wltkltrrb Brsmttlrhntl.

    Wünsche dir eine interessante Zeit und uns neuen Einblicke / Einsichten zu unserer „romantischen Heimat“.

    Sag mal: Ist es durch die Bahn wirklich so grässlich laut im Tal? Bist du schon aus dem Bett gefallen oder halten die dicken Burgmauer alles ab?

    Was mich noch interessiert: Wenn du aus dem Fenster schaust, siehst du dann auch schon Windkraftanlagen?

    Und frag die Leute bitte auch nach der Brücke. Wird die dem Tal helfen?

    Apropos Wltkltrrb Brsmttlrhntl. Du bist doch ganz schön wortgewalzig. Was könnte man stattdessen sagen. Muss ja kein Sex-Appeal haben, aber etwas weniger Staub wäre doch schon schön.

    Weiterhin viel Spass.
    Sascha