Erwartungen an die Liebe und deren Nicht-Erfüllung

von

Nachts in Bacharach

Alle suchen sie. Für manch einen ist sie das Lebenselixier, der Stoff, der uns atmen lässt. Dating-Apps verdienen Geld mit ihr, ein Haufen Ratgeberliteratur tut selbiges, unsere Konsumkultur ist mit ihr aufgeladen. Sie lässt uns lachen und weinen. Enttäuscht uns, macht uns lebendig, verletzlich. Die Liebe.

Jungen Menschen wirft man oft vor, sie hätten keine Ahnung – sie müssten erst einmal in ein gewisses Alter kommen, um sie, die Liebe, zu verstehen. Diejenigen, die Vorwürfe machen, schwelgen gerne selbst in Gedanken von früher, denken an die erste große Liebe, diese erste süße Verführung. Ein ewiger Irrgarten.

Ich bin zu einer Nachtwanderung in Bacharach eingeladen. Poesie, Rhein und alte Gassen – das klingt romantisch.

Wir treffen uns „An den drei Poeten“ – einer Skulptur, die Victor Hugo, Clemens Brentano und Heinrich Heine darstellt. Mir gefällt die Skulptur – Hugo als Hahn, auf Brentanos eisernem Kopf sitzt ein Vogel, und Heine, nun ja, soll wohl ein Rind sein. Zwischen den einzelnen Figuren steht ein eiserner Tisch, darauf eine Flasche Wein. Da ist sie wohl, die Weinseligkeit, bzw. ihr Abbild, von der Horst spricht. Horst organisiert die Lyrik-Wanderung und führt uns, mich und zwei weitere Frauen, durch Bacharach.

Bacharach ist schön. „Klein-Venedig“, sagt Horst und führt uns zu einem schmalen Weg zwischen zwei Häusern, der venezianische Atmosphäre spüren lässt.

Die kleine Stadt besitzt viel Fachwerk, verwinkelte Gassen, schöne Restaurants und Kneipen. Ich glaube, hier kann man noch gut vom Tourismus leben.

Die Lyrik-Wanderung führt uns durch Bacharachs Malerwinkel, der früher wohl wegen seiner günstigen Mietpreise die Künstler angezogen hat. Die Gärten, die hier hinter den Häusern liegen, wirken verwunschen. Ein Bach läuft plätschernd zwischen ihnen entlang. Man glaubt, in der Provence zu sein. Überhaupt macht das Mittelrheintal immer wieder diesen mediterranen Eindruck.

Wir laufen weiter zum Postenturm. Hier soll unsere Führung enden und ich lasse die Gespräche mit Horst noch einmal Revue passieren.

Über die Liebe zu schreiben oder zu reden, birgt die Gefahr in sich, romantisch oder kitschig zu klingen. Und Kitsch ist ähnlich schlecht besetzt wie Kleinkunst. Beides sind Worte, mit denen ein Werk oder ein Gedanke scharf klirrend zu Bruch gehen können. Werden bestimmte Erwartungen an die Liebe gestellt, so können sie schnell enttäuschen. Hoffnungen werden nicht erfüllt. Verklärte Gedanken werden zu Irrwegen. Auf romantische Bilder folgt Scheitern.

Während ich den Abendhimmel aus dem Postenturm beobachte, denke ich, dass die Aussicht trotz fehlendem Mond und ein paar Wolken am Himmel (oder gerade deswegen) herrlich ist.

Es muss nicht immer der Wein sein, die verklärte Romantik oder die Suche nach ihr, es geht auch ohne.

Doch für den romantischen Lyriker ein Gedicht von Heinrich Heine ;-)

„Wenn ich bei meiner Liebsten bin,
Dann geht das Herz mir auf,
Dann bin ich reich in meinem Sinn
und biet die Welt zum Kauf.

Doch wenn ich wieder scheiden muß
Aus ihrem Schwanenarm,
Dann schwindet all mein Überfluß,
Und ich bin bettelarm.“

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