Er hat Mittelmaß gesagt :(

von
Leberwurst
Tierorgan im Tierorgan auf Brot. Leberwurstbrot. Foto: Timo Stein

In Koblenz darf ein Mann nicht James Bond heißen. Für einen Taz-Kolumnisten eine vertane PR-Chance und Grund genug für eine Generalabrechnung mit Rheinland-Pfalz. Der Versuch einer Antwort.

Rheinland-Pfalz, das sei das „Bundesland Mitte links außen, das vor allem deshalb da ist, damit Nordrhein-Westfalen und Hessen nicht mit voller Wucht auf das Saarland prallen.“

Eine wirklich schöne Formulierung. Geschrieben hat das der Taz-Autor Peter Weissenburger in seiner Kolumne „Geht’s noch?“. Die Überschrift: Aufwachen, Rheinland-Pfalz!

Alles sei hier Mittelmaß: „Mittelgebirge, Mittelrhein, mittelgut in Bildung, mittleres Bruttoinlandsprodukt.“ Und weiter: „Den Rheinland-PfälzerInnen mag das recht sein, die wollen ihre Ruhe. Die strengen sich gerade genug an, um keine miesen Schlagzeilen zu machen. Das muss aber auch reichen. Dann gibt’s wieder Weinchen. Und in Tierorgane gestopfte Tierorgane.“

Jetzt kann man einer solchen Polemik schlecht den Vorwurf machen, dass sie sich einer entschiedenen Holzhammermethodik bedient. Das wäre ungefähr so, als beschwere man sich beim Winzer über die Kopfschmerzen nach einem Alkoholrausch. Polemiken müssen weh tun. Und ein ordentlicher Rausch verlangt nach Übelkeit. Aber eine gesunde Polemik braucht zumindest ein gesundes Fundament. Eine Grundlage, auf der sie schmerzt und prügelt. Und wichtiger noch: jemanden, der dann auch „Aua“ schreit.

Doch dieser Abrechnung fehlt beides. Eine Polemik soll das Gegenüber im besten Falle durch spitze Formulierungen demaskieren. Sie braucht einen Adressaten. Nur, ich befürchte, dass es die wenigsten Rheinland-Pfälzer überhaupt zur Kenntnis nehmen. Schlimmer noch. Ich vermute, die zucken nicht mal.

So ist, im eigentlichen Sinne, der Taz-Kommentar gar keiner über Rheinland-Pfalz, über diese „Resteverwertung aus Pfalz, Rheinprovinz und ein paar versprengten Exherzogtümern“, wie es der Autor formuliert, sondern ein Paradebeispiel dafür, wie eine Polemik eben nicht geht.

Das wird besonders am Aufhänger deutlich. Der Taz-Autor knüpft seine Fundamentalkritik nämlich an den Versuch eines Mannes vor Gericht eine Namensänderung zu erstreiten. Dieser wollte fortan James Bond heißen. Das Koblenzer Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Begründung hier.

Für den Taz-Autor eine vertane Chance. Hätte das Land doch mit einer Umbenennung für ein paar fetzige Schlagzeilen sorgen können.

Ich fasse zusammen: Weil ein vorbestrafter Mann nicht James Bond heißen darf, hat das Land ein Problem. Ernsthaft?

Der Taz-Kolumnist resümiert dazu: „Mit der Einstellung kriegt man ein Land nicht zum Laufen. Kein Wunder, dass niemand euren Flughafen und eure Autorennbahn haben will. Marketingtechnisch braucht ihr dringend Spokespeople. Aber der Pfälzer Saumagenkönig Helmut Kohl ist schon lange im Ruhestand, und wenn die Bad Kreuznacher Weinkönigin Julia Klöckner nicht bald in der Bundespolitik Fuß fasst, könnt ihr einen James Bond gut gebrauchen.“

Und während man sich gerade noch darüber freut, dass mit Kohl und Klöckner in nur einem Satz gleich zwei Namen auftauchen, mit denen man ja nun gar nicht rechnen konnte, macht etwas Anderes nachdenklich: Hat der wirklich Spokespeople geschrieben?

Ich versuche mir so ein paar akkurate, PR-feste Spokespeople vorzustellen. Drahtige Unternehmensberatertypen in Sparkassenmontur kommen mir in den Sinn. Gewiefte Marktrhetoriker, Startupper in Hanglage, die dieses Land ganz strategisch vom Ende her denken. Präsentabel, beschlipst, mit makellosem Brillengestell. Und dann muss ich an einen Spruch von Roger Willemsen denken, den er einmal aus irgendeinem französischem Film zitiert hat: „Eine Krawatte ist ein Reisepass für Arschlöcher.“

Aber, aber, ließe sich einwenden. Diese Replik hier zeigt doch, dass die Polemik ihr Ziel gerade nicht verfehlt hat. Und ich könnte antworten, ja, ganz richtig, aber die Tatsache, dass ein Typ auf einer Burg, der gerade einmal drei Wochen in Rheinland-Pfalz lebt, glaubt, auf einen Artikel eines Typen aus der Hauptstadt reagieren zu müssen, sagt doch eigentlich alles und ist sehr wahrscheinlich das wirkmächtigste Indiz dafür, wie kilometerweit am eigentlichen Gegenstand vorbeipolemisiert wurde.

Im Übrigen würde ich mir selbst in einer Polemik kein Generalurteil über ein bestimmtes Kollektiv zutrauen. Und falls ich das irgendwann einmal gemacht haben sollte, kann ich mich nicht mehr daran erinnern. Der Taz-Autor aber weiß genau, wie sie ticken, diese Rheinland-Pfälzer.

Ich weiß eigentlich nichts. Und werde vermutlich nach sechs Monaten Burg und Mittelrhein noch viel weniger wissen. Ich weiß nur, DIE Ausländer gibt es nicht, DIE Deutschen irgendwie auch nicht und DIE Rheinland-Pfälzer schon mal gar nicht.

Allein auf diesem mittelrheinischen Fleckchen Erde hier fliegt einem so viel buntgewürfelter Dialekt um die Ohren, dass einem beim Zuhören schwindlig wird.

Was ich weiß, ist, dass Wetterberichte in Rheinland-Pfalz allenfalls Empfehlungen sind, die sich ans Wetter richten. Ich habe gelernt, dass man Rotweinflecken mit Weißwein rausbekommt und nachts Wildschweine husten hören.

Und ich weiß, dass ich immer noch nicht weiß, was zur Hölle eigentlich „Dudebainche“ bedeuten soll?

Und, ja, es gibt hier noch Menschen, die Ed-Hardy-Shirts tragen, es gibt Trimmpfade, Spundekäs, Verkehrsschilder, auf denen „Alle Richtungen“ steht. An der Kasse im Supermarkt kassiert man einen strengen Hausmeisterblick vom Hintermann, wenn man die Trennvorrichtung für das Warenband nicht hinter seinen Einkauf platziert.

Und wenn man hier „Tschüss“ sagt, heißt das, ich bleib noch eine halbe Stunde. Es ankern Warnschilder auf Märkten, die mit der Bezeichnung „Langfinger“ vor Taschendieben warnen. Es gibt tatsächlich noch Stehcafés, Bundeskegelbahnen, manches Mal sogar Kakaopulver auf Cappuccino.

Nach vielleicht zehn Jahren habe ich zum ersten Mal wieder das Wort „Firlefanz“ gehört. (Und ich finde, es hat eine echte Chance verdient.)

Und dann gibt es diesen gut gemeinten Smalltalk, auf den ich nie, so überhaupt nie, eine Antwort habe – und mir keine andere Wahl bleibt als blöd zu gucken: „Du hast aber schönes Wetter mitgebracht.“

Und nach so einer kurzen Unterhaltung ruft dann immer einer irgendetwas hinterher.

Ja, vielleicht ist das Rheinland-Pfalz. Vielleicht ist es aber auch ganz anders. Aber eigentlich ist das auch egal. Beziehungsweise Wurst. Ganz im Sinne einer deftigen P(f)älzer Lewwerworschd. So einem herrlich schmackhaften Tierorgan im Tierorgan.

10 Kommentare

  • Kampfansager says:

    „Ich versuche mir so ein paar akkurate, PR-feste Spokespeople vorzustellen. Drahtige Unternehmensberatertypen in Sparkassenmontur kommen mir in den Sinn. Gewiefte Marktrhetoriker, Startupper in Hanglage, die dieses Land ganz strategisch vom Ende her denken. Präsentabel, beschlipst, mit makellosem Brillengestell.“

    Warum in die Phantasie abschweifen, wenn das Gesuchte so nahe liegt?
    (LINK entfernt, Gruß T.S.)
    Wobei Sparkassenmontur eher unpassend ist. Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz-Montur wäre vielleicht treffender, aber bezüglich der für Standortwerbung und Akquisition angemessenen Kleidung, kann Sie Frau Klöckner zweifelsohne besser beraten. Nachdem sie als Politikerin hier humorlos und wenig subtil in Form eines Kommentar bereits die monatliche Dosis Bürgernähe erbracht hat, ist es nun an Ihnen, die schwindende Distanz zwischen Regional- und Wirtschaftsförderung, PR und Journalismus geschmeidig zu überbrücken und sich mit ihr auf ein Pressefoto zu treffen um zum Wohle der Region ein Gläschen Wein zu schlürfen.

  • Dietmar Rieth says:

    Ja und da gibt es noch eine Besonderheit.
    Nämlich, dass die Pfälzer, Rheinländer, Hunsrücker, Eifeler, Westerwälder, Moselaner, Trierer und weitere Regionsvertreter seit nunmehr 35 Jahren erfolgreich eine aktive Partnerschaft – als einziges Bundesland !- mit dem afrikanischen Staat Ruanda pflegen.
    …mir ist nicht bekannt das so etwas von Berlin bekannt wäre!?
    …wobei zur Ehrenrettung der TAZ zu sagen ist, dass die wohl besten und bekanntesten Afrikakorrespomdenten Dominic Johnsen und Simone Schlindwein sind, die kontinuierlich hervorragende tagesaktuelle Berichte aus Ruanda und den angrenzenden Ländern liefern!
    …vielleicht sollte sich der „mittelmassbeschreiber“ der taz mal ein Beispiel an diesen Kolleg/innen nehmen, die übrigens gern gesehene Reporter in Rheinland-Pfalz sind und auch immer wieder eingeladen werden.
    Dietmar Rieth
    -Partnerschaft Rheinland-Pfalz/Ruanda-

  • GUUDE! Wat hast dau dann für Wedder? Gruß aus Kowelenz. DAnke für den Text!

  • Heike says:

    „selbst gebackenes Dudebainche, das ist ein Hefegebäck nach altem Koblenzer Rezept“….Habe ich vorher auch nicht gehört..Ich kenne Krakkeln=Tannenzapfen, Hinkel= Hühner, Wehle= Heidelbeeren, Kult=Wolldecke, Schaussegrave= Straßengraben …Viel Spaß beim Sprachkurs..Und:..Der Mittelrhein zwischen Bingen und Koblenz hat mit den Pfälzern nicht wirklich was zu tun..Wir sind hier unser eigenes Völkchen und haben unseren eigenen lecker Wein.. feine Rieslinge aus Oberheimbach z. Bsp. ..

    • Mona Jung says:

      Ah okay, danke. Dudebainch habe ich echt noch nicht gehört. Wolldecke heißt weiter nördlich kolder ????

    • Timo Stein says:

      Danke! Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis wir hier gegenseitig Rezepte austauschen…

  • J. Klöckner says:

    So herrlich normal. Das klingt wie eine Liebeserklärung an unser schönes Rheinland-Pfalz, oder zumindest wie ein netter Flirt. Ich musste häufig schmunzeln – über den beschriebenen Alltag. Toller Text mit subtilem Humor!
    LG J. Klöckner

  • Maria Schmelzeisen says:

    Maria says: 24.Mai2017.
    „Du debberd „und“Du debainche“ ist sicher fraulich,grinz.Mehr kann ich auch nicht davon machen.Nimmt es mir nicht uebel ,lachen kann ich selbst.
    Es gruesst Maria

  • Sandra T. says:

    … ich wische mir gerade die Lachtränen von der Wange – herrlich, so ein „wissender“ Blick aus der Hauptstadt (Taz-Journalist) auf unsere ländliche Region. Einfach unbezahlbar amüsante Lektüre, die Meinungen der Großstädter über „die“ Rheinland-Pfälzer ;o)
    Wohlgemerkt: wir hier sind weder Rheinländer noch Pfälzer und wir fühlen uns glaube ich auch nicht so.
    Wir sind eben ein Bundesland mit unglaublicher Vielfalt, nicht nur im Dialekt … und das ist auch gut so!

    You made my day ????!

    Danke dafür, Sandra T.

  • Mona Jung says:

    Dass ein Berliner TAZ-Autor meint wir müssten hier irgendwelchen Firlefanz veranstalten, damit RLP zum Laufen kommt, ist mir total egal.
    Was mich tatsächlich als Rheinland-Pfälzerin erschüttert, dass ich auch nicht weiß, was „Dudebainche“ sind.
    Wer klärt mich auf?