Ein Tag am Strand – im Zwiegespräch mit der Burg

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„Heute ist wie eine Schneekugel“, denke ich und liege am Strand in Trechtingshausen. Der Tag fühlt sich wie ein mit Wasser befüllter Behälter an und meine Gedanken wie die kleinen, glitzernden Partikel darin. Gut durchgeschüttelt, sodass die darin stehende Miniatur-Landschaft nicht sichtbar wird.

Deshalb bin ich spazieren gegangen – ich wollte Klarheit haben, die Miniatur-Landschaft wieder sehen. Gehen soll dem Geist helfen. „Ich kann nur beim Gehen nachdenken“, hat der Philosoph Jean-Jacques Rousseau geschrieben.

Nun ja, vor lauter Gehen bin ich in Trechtingshausen am Strand gelandet, die versprochene Klarheit ist nicht eingetreten. Die Burg Sooneck sitzt rechts hinter mir und beobachtet mich von ihrem Berg. Mit mahnendem Blick streift sie mich hin und wieder: „Tu’ was, finde was, schreibe!“
Ich schaue zurück: „Versuche ich doch gerade!“ und liege schuldbewusst im Sand herum. Ohne Decke, ohne Handtuch – wissend, dass ich mich im Winter über die wiedergefundenen Sandkörner freuen werde, an denen diese Erinnerung klebt.

So ist das also, wenn man etwas sucht, respektive nach den richtigen Worten, sich verirrt, nichts findet und – nun ja – scheitert.
Während ich übers Scheitern nachdenke, läuft Angie von den Rolling Stones so laut auf meinen Kopfhörern, dass ich gerade noch den Wellengang des Rheins hören kann. Eine leichte Brise bedeckt mich mit weiteren Sandkörnern.

Angie – Where will it lead us from here

Scheitern ist in unserem Effizienz-Denken nahezu immer negativ besetzt. Google sagt, „scheitern“ heißt:

1. ein angestrebtes Ziel o. Ä. nicht erreichen, keinen Erfolg haben
2. misslingen, missglücken, fehlschlagen

With no lovin‘ in our souls
And no money in our coats

Für mich hat Scheitern etwas mit Ohnmacht zu tun. Scheitern fühlt sich an wie eine Türe zu öffnen und hinter dieser befindet sich gleich wieder eine Tür und so weiter. Ein absurdes „Alice im Wunderland“ Türparadoxon mit einem kichernden Kaninchen in der Ecke. M. C. Eschers unmögliche Figuren wie die Penrose Treppe könnten ebenso für dieses Gefühl stehen. Es gibt keinen Ausweg. Blöd nur: Man selbst befindet sich darin.

Und irgendwann fragt man sich: „Hatte ich überhaupt ein Ziel?! Und wenn ja, welches?“

Seemed to all go up in smoke

Da liegt ein älteres Paar im Sand: Er schnarcht leise vor sich hin, von ihr sehe ich nur die Füße. Hinter ihnen steht ein Fahrrad, der Ständer versinkt im Sand.

Ein Junge stapft mit einem Hamburger durch den feuchten Sand – woher er den wohl hat? Später macht er Turnübungen, seinen Handstand steht er fast 30 Sekunden.

Scheitern kann auch loslassen, sich freimachen bedeuten. Die persönliche Standardeinstellung über Board werfen, die Perspektive wechseln. Scheitern kann man als Protest gegen eben dieses Effizienz-Denken verstehen. In Sackgassen sollte man schließlich nicht stehen bleiben.

Ein Mann läuft mit seinem Mops im flachen Wasser entlang. Erstaunlich, wie viel Freude der Hund hat. Ob er ohne die Leine weiter hinein laufen würde? Sind Hunde gute Schwimmer?

Scheitern als Aufbruch – wieso nicht? Über mir tanzen die Schwalben und ich sehe zur Burg hoch.
Vor meinem geistigen Auge zieht sie ihre Augenbraue hoch: „Und?“
„Naja, ich hab’s versucht!“

Ain‘t it good to be alive…

 

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