Die Sehenswürdiger der Woche

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Alle kommen ins Mittelrheintal, um die Sehenswürdigkeiten zu fotografieren. Ich drehe den Spieß um: Für mich sind die Touristen selbst eine Attraktion. Ich richte die Kamera auf jene, die gerade auf den Auslöser drücken. Mich interessiert der Blickwechsel: Wer sind die Menschen hinter den Objektiven? Warum kommen die her? Und was haben sie da im Sucher?

Ehepaar Büth
Die Sehenswürdiger der Woche: Natürlich sind die ersten Touristen in dieser Rubrik Besucher der Sooneck

Die ersten „Sehenswürdiger der Woche“ kommen mir direkt zugelaufen. Gisela und Hubert Büth sind am Montag zur Burg Sooneck hochgewandert. Sie 78, er 75 Jahre alt. Rüstig und reizend, zwei Senioren aus Kall in Nordrhein-Westfalen. Rheinliebhaber und Burgenfreaks. Die Sooneck hatten sie sich extra als Reiseziel ausgesucht, „wegen der Architektur“, sagen sie. Nur leider hatten sie vorher nicht die Öffnungszeiten der Burg studiert. Montags ist hier immer zu. Sie hatten aber Glück. Ich hab sie reingelassen – im Tausch für einen Plausch. 

Burgenbloggerin: Warum habt ihr euch diese Sehenswürdigkeit heute ausgesucht?

Hubert: Wir sind ein bisschen Burgen-versessen. Die meisten Burgen in Deutschland gibt es ja in der Eifel, da wo wir herkommen. Angefangen haben wir mit den Besichtigungen, als die Enkelkinder kamen. Da haben wir uns einmal mit der ganzen Familie für eine Woche in einem Appartement in einer Doppelburg eingemietet. Und dann haben wir eben hier am Rhein auch alle Burgen besucht. Beim Mittelrheintal denkt man natürlich als erstes ans Weltkulturerbe und dass es hier landschaftlich sehr schön ist. Ich bin auch schon einmal mit dem Rad das ganze Tal abgefahren. Wir waren hier früher in unserer Jugendzeit immer wandern.

Gisela: Der Steinbruch hier nebenan macht ja ganz schön Krach, ne? Wir übernachten ja in einem Hotel in Kamp-Bornhofen, gegenüber von Boppard. Da hören wir auch die Züge vorbeifahren, das ist schon gewaltig. Dabei ist der Wallfahrtsort dort und das Rheintal einfach so schön. Wir würden immer wiederkommen.

Burgenbloggerin: Und was macht euch als Touristen zur Attraktion?

Hubert: Och, nichts weiter. Ich war früher in der Kommunalverwaltung tätig. Jetzt bin ich so eine Art Ortschronist und schreibe Bücher über die Geschichte Kalls.

Gisela: So ’nen Schmöker hat er geschrieben. Ist sehr gut angekommen. Ganz Kall hat dieses Buch im Schrank.

Burgenbloggerin: Was bedeutet euch diese Region?

Gisela: Schön war es früher, als wir hier als Kinder herkamen. Mein Vater war ein Rheinliebhaber. Mit ihm sind wir an den Fluss gefahren. Da waren wir im Rheingau, Oestricher Lenchen, das werde ich nie vergessen. Und früher war das auch so schön hier mit den Liedern. Bei uns wurde ja noch viel gesungen. Immer wieder über den Rhein.

Büth
Sooneck im Sucher: Hubert Büth aus Kall erinnert sich an saufende Kegelclubs im Mittelrheintal

Hubert: Im 19. Jahrhundert ist der Rhein verherrlicht worden. In der Musik, in der Malerei. Aber nach dem Krieg sind all diese Orte am Rhein dermaßen runtergekommen. Hier sind nur noch die Kegelclubs hergekommen und ham’ sich besoffen. Ich hab das selber noch erlebt. Da kamen die Clubs in jeden Ort, haben die Kegelkasse versoffen und dann lagen die Leut auf der Straße rum. Das hat den Weinorten hier Abbruch getan. Da gab es auch Weinpanscher… heute gibt es Gott sei Dank wieder eine neue Winzergeneration, die machen richtig gute Weine.

Gisela: Naja, jetzt ist’s mal gut, Hubert. Danke, dass Sie uns reingelassen haben. Jetzt wollen wir sie mal nicht länger aufhalten…

5 Kommentare

  • Natalie says:

    Ein sehr guter und unterhaltsamer Artikel (:
    Diese beiden Burgbesucher sind meine Großeltern und ich wollte bloß erwähnen, dass ihr Zeitungsartikel bis zu uns in die Eifel gekommen ist (per Post durch Freunde aus Rheinland Pfalz)
    Liebe Grüße

    http://thegoodthingstaketime.blogspot.de

    • Jessica Schober says:

      Liebe Natalie,
      wie schön von dir zu lesen, hab gerade auch gerne auf deinem Blog gestöbert. Grüße an Hubert und Gisela, wenn du sie mal wieder siehst!
      Bestes
      Jessica

  • Fara says:

    Ganz wunderbar. Ich bin gespannt ob (und für was) sich auch junge Menschen für die Sehenswürdigkeiten der Region interessieren.

  • mantax says:

    Da sage noch jemand, der Blog werde nicht aufmerksam gelesen : Kall liegt in der Eifel, nicht in der Eiffel …
    Und die Kegelclubs haben den Mittelrhein bis weit in die achtziger unsicher gemacht.

    • Jessica Schober says:

      Merci, lieber aufmerksam Lesender, hab ich gleich ausgebessert. Ich war wohl gedanklich auf dem Eiffelturm.