Manchmal muss man‘s einfach machen

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In Steeg weht nicht nur auf den Höhen ein frischer Wind.

Das haben wir schon immer so gemacht. Ein Satz, der viel mehr ist als bloß eine Floskel. Es ist eine Einstellung, die Stillstand verheißt. Eine Lebensart jener, die vielleicht Angst vor Veränderung haben. Oder derer, die einfach zu bequem geworden sind. Es ist eine Einstellung, die eine Region nicht voranbringen kann. Oder kleiner gedacht, einen Ort. In Steeg haben elf Mutige mit dieser Formal gebrochen. Sie haben das Weinblütenfest komplett umgekrempelt. Entgegen aller Widerstände.

„Ein Proooosit, ein Prooohosit der Gemüt-lich-keit!“, erklingt es aus den Weinbergen oberhalb von Steeg. Die Weinwanderung hat Fahrt aufgenommen. Die ein oder andere Flasche ist bereits geleert. Jeder der rund 40 Teilnehmer trägt sein Weinglas mit sich. Die Profis haben dafür eine Vorrichtung, sie können sich das Glas um den Hals hängen. Leer sollen die Gläser in den kommenden Stunden fast nie sein, dafür sorgen Denise Zahn und Sonja Theobald-Zahn. Sie begleiten die Gruppe mit einem kleinen Bus, versorgen Einheimische und Touristen an mehreren Stationen mit verschiedenen Weinen, Wasser und Brot. Zugegeben, es wird fast mehr pausiert und getrunken, als gewandert. Strecke machen ist aber auch gar nicht das Ziel der Wanderung. Geselligkeit, die herrlichen Aussichten genießen, ein bisschen was über Weinbau lernen. Darum geht es. Und einfach nur darum, gemeinsam einen guten Tag zu verbringen.

Weinfeste gehören zum Mittelrheintal dazu ebenso wie der Rhein selbst. Aber reicht es heute noch aus, Bierzeltgarnituren aufzustellen und den Gästen ein Glas Wein zu reichen? Nein, dachten sich Petra, Gerd, Nicole und Nina Kemmer, Frank Mörsch, Yvonne Steinberger, Marcel Willemsen sowie Denise, Dietmar, Eckhard Zahn und Sonja Theobald-Zahn. Zum zweiten Mal, nach 2017, haben sie das Steeger Weinblütenfest am vergangenen Wochenende auf neue Beine gestellt. Zwar gibt es das Fest erst seit 20 Jahren, was für die Region sehr jung ist, dennoch war die Staubschicht wohl schon recht dick. Nachdem der Steeger Jagdpächter, ein einst wohlhabender Spediteur vom Niederrhein, der das Weinblütenfest ins Leben gerufen hatte, insolvent gegangen war, dümpelte das Fest nur noch vor sich hin. Die Luft war raus. „Wir wollten die alten Strukturen aufbrechen, was gar nicht so einfach war“, erklärt Dietmar Zahn.

Bayrischer Dialekt vermischt sich mit Mundart vom Niederrhein. Zwischendrin jodelt ein echtes Steeger Urgestein ins Tal hinunter. Manchmal winkt von unten jemand zurück. Und immer wieder werden kurze Liedchen angestimmt. Es fällt schwer, sich hier nicht wohlzufühlen. Kein Wunder also, dass die kleine Gruppe aus Krefeld bereits seit zehn Jahren immer wieder hierherkommt. Bei dieser Herzlichkeit, die einem hier entgegenschlägt, kann man ja fast gar nicht anders. Und doch: Auch sie merken, dass es im Tal andernorts nicht so recht vorwärtsgeht.

In Steeg wurden zunächst Stimmen laut, das Weinblütenfest komplett einzustellen. Die Verantwortlichen hielten Sitzungen ab, zu denen nicht jeder eingeladen war. „Wir haben dann klar gesagt: So läuft das hier nicht weiter“, erinnert sich Dietmar Zahn. Nach weiteren Treffen legte sich allmählich der Widerstand. Die Alten ließen das neue Team gewähren. Ein Jahr lang haben sich Zahn und sein Team fast alle zwei Wochen getroffen. Ideen gesammelt, geschaut, was andernorts so geboten wird. Ihnen ist klar: Sie müssen nicht der Welt beweisen, dass sie ein Fest veranstalten können. Ein Fest für Steeg soll es sein. Und für die Gäste der Region. Und trotz einiger Veränderungen, nach dem ersten Fest mit neuem Konzept im vergangenen Jahr, wuchs die Akzeptanz im Ort.

Riesling, Rivaner, Spätburgunder. Am Ende der Wanderung sind nahezu alle Flaschen geleert. Mit Panoramablick über Bacharach und den Rhein wird ein letztes Lied angestimmt: „Wenn das sooo ist, ja wenn das sooo ist, dann Prooost!“ Ob auch die nachfolgenden Generationen noch solche Lieder anstimmen können werden? Das bleibt zu hoffen. Denn eines ist sicher: Kein Foto oder Video in den Sozialen Medien kann ein in voller Inbrunst in den Wingert geschmettertes Trinklied ersetzen. Neu ist eben nicht immer besser.

 

Was beim Steeger Weinblütenfest sonst noch so geboten war

Eine Weinprobe während des Weinfestes, das klingt zunächst einmal nicht neu oder wirklich innovativ. In Steeg aber fand das Ganze in der Kirche statt. Moderiert von Dietmar Zahn und visualisiert mit Landschaftsaufnahmen rund um Steeg, die zuvor mit einer Drohne gefilmt wurden. So voll sei die Kirche selten, sagte Pfarrer Timm Harder. Und auch sonst hatte sich die „Steeger Elf“ etwas einfallen lassen. Neben der Weinwanderung standen eine geführte Mountainbike-Tour und eine Yoga-Wanderung durch die Weinberge auf dem Programm. Auf Festumzug und Feuerwerk verzichtete das Team zugunsten von Live-Musik. Insgesamt drei Bands spielten beim Weinblütenfest. Und auch in Sachen Kulinarik war mehr geboten, als bloß Bratwurst und Pommes. Im Weingut „Zur Fledermaus“ kochten drei junge Geflüchtete aus Syrien landestypische Speisen. Marcel Willemsen, ein aus den Niederlanden zugezogener Barbecue-Spezialist, servierte in seinem Garten Pulled Pork und Spareribs. Ein Food-Truck aus Mainz verführte mit verschiedenen Flammkuchen. Für die Gäste von außerhalb gab es einen Shuttle-Service. Und ein offenes WLAN machte es Gästen möglich, Fotos vom Fest gleich in den Sozialen Netzwerken mit Freunden zu teilen.

Hier die Fotos vom Steeger Weinblütenfest zum Durchklicken:

 

3 Kommentare

  • Michael Storek says:

    Als Gast kann ich nur zwei Dinge sagen :
    erstens war es ein super Weinblütenfest und zweitens einen großen Dank an das Festkommittee. Ihr habt klasse gearbeitet

  • Jutta Thies says:

    Toller Bericht, warum gibts das nur in Steeg? Ideen gibts bestimmt genug.Die alten sollten die Jungen auch mal machen lassen, wann wirds vielleicht wieder mehr ein Renner…Oberwesel als Extra das Spectaculum.
    In Kaub z.B. wurde auch das Winzerfest auf dem Kirchplatz nicht mehr gefeiert. Dann vor ein paar Jahren ganz neu und nun alle 2 Jahre im ganzen Ort die Blüchertage. Wer will findet Wege, wer nicht, findet Ausreden…

  • Maria Schmelzeisen says:

    Das klinkt alles sehr gut, hoffe es geht weiter so . In den meissten Doerfern und Staedten sind die Menschen muede geworden, fuer alles muessen sie kaempfen und bezahlen.
    Bin schon lange nicht mehr im Rheintal gewesen,eigentlich schade.