Filsen gibt sich bescheiden. Statt mit der größten Rheinschleife der Welt aufzutrumpfen, begnügt sich die Gemeinde mit einem kleineren Superlativ: der längsten Bank am Rhein. Die zieht sich zwar nicht über die gesamte Rheinschleife, ist aber trotzdem beachtlich lang. Alle Einwohner des Ortes werden hierauf aber sicherlich keinen Platz finden. Zumal mir in Filsen etwas aufgefallen ist, was ich so offensichtlich bisher in noch keinem anderen Ort im Mittelrheintal beobachtet habe. Filsen wächst.
Ein Blick in die Statistik bestätigt das. Lebten dort im Jahr 1970 noch 497 Einwohner, sind es mittlerweile 649 (Stand 30. Juni 2017). Das sieht in anderen Gemeinden im Oberen Mittelrheintal zum Teil ganz anders aus. Kaub zum Beispiel hat in dem Zeitraum einen heftigen Einwohnerrückgang zu verzeichnen. 1970 lebten dort 1895 Menschen, heute sind es nur noch 844. Ähnlich sieht es in St. Goarshausen aus. 1970: 2180 Einwohner, heute 1337. Sogar Oberwesel, eine Stadt, bei der ich jetzt keinen großen Rückgang erwartet hätte, hat in den vergangenen rund 50 Jahren viele Einwohner verloren. 1970 waren es 4777, heute sind es nur noch 2853.
In Filsen aber sprießen Neubauten wie Pilze aus dem Boden. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass hier einfach Platz ist. Bauplatz. Filsen liegt im Gleithang des Rheins, also am kurveninneren Ufer der Rheinschleife. Die Besonderheit hier: Der Steilhang beginnt nicht gleich kurz hinter dem Uferbereich wie in den meisten Ortschaften im Oberen Mittelrheintal. Filsen liegt auf einer recht großen, sanft ansteigenden Fläche. Hier ist noch viel Platz, um Neubaugebiete zu erschließen.
Ein Marketingmensch würde wahrscheinlich sagen: Macht doch was aus der größten Rheinschleife der Welt. Nutzt den Superlativ. Lockt damit Menschen nach Filsen. Das Problem ist nur, die nimmt man ja gar nicht wahr, wenn man in Filsen ist und am Ufer steht. Die entfaltet nur aus der Luft oder vom Aussichtspunkt Gedeonseck auf dem gegenüberliegenden Berg ihre Wirkung. Also vielleicht eine Seilbahn von Filsen hoch zum Gedeonseck bauen? Oder eine Hängeseilbrücke? Na, lassen wir das lieber. Das sind sensible Themen im Welterbetal.
Wie aber holt man touristisch mehr raus aus Orten wie Filsen, Osterspai und Kestert? Oder linksrheinisch Rheindiebach, Niederheimbach und Stolzenfels? Das habe ich mich schon so manches Mal gefragt in den vergangenen Monaten. Ist das überhaupt möglich ohne ein großes Angebot an Gastronomie und Hotellerie? Und ohne zahlreiche Schiffsanleger? Zeit, mal jemanden zu fragen, der es wissen muss. Ich hab also bei Romantischer Rhein Tourismus vorbeigeschaut und mit Jeanette Dornbusch, Frank Gallas und Kevin Kalfels gesprochen.
„Ein Ort braucht schon etwas Besonderes. Wir schaffen ja keine neuen Infrastrukturen, sondern vermarkten das, was da ist“, erklärt Frank Gallas. Da liege es eben in der Natur der Sache, dass kleine Orte in der Regel nicht so viel anzubieten haben wie größere Gemeinden oder Städte. „Wir haben die kleineren Orte aber auch mit im Blick“, ergänzt Kevin Kalfels, „wir versuchen, sie, wann immer es sich anbietet, mit einzubinden.“
„Wenn Vereine in solch kleinen Gemeinden aktiv werden und etwas bewegen möchten, stehen wir immer gern beratend zur Seite“, erklärt Jeanette Dornbusch. Aber auch sie betont noch einmal, dass sie als Tourismusagentur ein fertiges Produkt zur Vermarktung benötigen. Die drei sind sich einig, dass die Bundesgartenschau 2029 das Potenzial hat, auch die kleineren Gemeinden aufzuwerten. Der Investitionsstau, den es seit vielen Jahren gebe, der mancherorts unübersehbar sei, könne aber nicht von heute auf morgen aufgeholt werden. Die Buga könnte aber einen Schub nach vorn bringen.
Wovon alle Gemeinden im Oberen Mittelrheintal ein Stück weit profitieren, sind die beiden Fernwanderwege Rheinsteig und Rheinburgenweg. Wobei sich der Rheinsteig laut Galles schon früher als Marke etablieren konnte. Überall finden sich Zuwege und Parkplätze für die beiden beliebten Wanderwege. „Die Etappenvorschläge wurden so gewählt, dass nach Möglichkeit Orte als Etappenziel dienen, wo Übernachtungs- und Einkaufsmöglichkeiten bestehen. Angebunden sind aber alle Orte entlang der Fernwanderwege“, erklärt Gallas.
Und was wird nun beispielsweise in Filsen geboten außer der längsten Bank am Rhein? Zu erwähnen ist da noch der Kirschwanderweg, der gemeinsam mit dem Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) entstanden ist. Der soll auch künftig als rheinübergreifender Wanderweg erweitert werden, wie Frank Gallas erklärt. Hierbei soll die Rheinfähre Boppard mit eingebunden werden.
Seit Kurzem gibt es in Filsen außerdem einen Dorfladen. Von dem profitieren wohl zwar vor allem die Einheimischen, aber auch Touristen, etwa Wanderer oder Radfahrer, können sich hier stärken. Für Geschichtsinteressierte hängen überall im Ort verteilt kleine Infotafeln an verschiedenen teils historischen Gebäuden. Und auch wenn ich mich davon in diesem Jahr nicht persönlich überzeugen konnte, im Frühjahr soll Filsen ein wahres Blütenmeer sein. Dann, wenn die zahlreichen Obstbäume zu blühen beginnen.
Irgendwie habe ich nun das Gefühl, ich müsse eine Art Fazit ziehen. Also mache ich das einfach mal: Ich hatte den Eindruck, Filsen gibt sich Mühe. Die kleine Gemeinde hinterlässt bei mir einen guten Eindruck. Auch wenn ich mit Highlights nicht überschüttet wurde. Wir reden ja hier von einer 649-Seelen-Gemeinde. Da gab es andere Orte, ohne hier jetzt Namen zu nennen, die sich mir weitaus schlechter präsentierten. Dazu sei aber auch noch gesagt, dass es nicht immer an fehlendem Engagement in den Gemeinden hängen muss. Manchmal ist auch schlichtweg kein Geld da. Und ohne Moos ist ja bekanntlich nix los.
Und hier die Fotos zum Durchklicken:
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