Wenn Heinz Heil durch die Straßen von St. Goarshausen geht, hat er viel zu erzählen. Auch grüßt er beinahe jeden, der vorbeigeht. Er kennt sie fast alle. In der Altstadt kennt sich der 74-Jährige besonders gut aus. Die hat er nämlich gemeinsam mit der Bürgerinitiative „Altstadt St. Goarshausen“ umgestaltet, die er 1995 mitbegründet hat. „Wenn ich was verändern will, muss ich meckern“, sagt Heil, als wir gemeinsam durch die Burgstraße gehen. Sie ist das Herzstück der Altstadt. Die Einheimischen nennen sie Gäsegasse, umgangssprachlich für Ziegengasse. Deshalb passt das mit dem meckern, sagt Heil.
Im Jahr der Gründung der Bürgerinitiative (BI) gab es in der Gäsegasse einen lauten Schlag, erinnert sich der ehemalige Polizist. Die Decke eines leer stehenden, maroden Hauses ist eingestürzt. „Das war der Urknall“, sagt Heil, „der Moment, wach zu werden und etwas zu tun.“ Am 7. Juli 1995 wird die BI gegründet. 54 Mitglieder zählt sie in den Anfangsjahren. Heute sind es noch 25. Wie viele Vereine im ländlichen Raum hat auch die BI Probleme, Nachwuchs zu gewinnen. Zumal die Arbeit der Mitglieder ehrenamtlich erfolgt. „Lange werden wir wohl nicht mehr machen“, sagt Heil. Das älteste Mitglied ist bereits 84 Jahre alt. Die Bürgerinitiative beschränkt sich daher mittlerweile auf kleinere kulturelle Veranstaltungen. Zuletzt war das die Ausstellung „Märchenhafte Sommerferien“ im Alten Rathaus, bei der Gislinde Buschmann aus St. Goarshausen nationale und internationale Märchen vorlas. Mehr als 70 solcher Kulturveranstaltungen gehen insgesamt auf das Konto der BI. Große Sanierungsmaßnahmen im Stadtbild sind altersbedingt nicht mehr möglich.
Heinz Heil ist kein Ureinwohner St. Goarshausens. 1964 kam er der Liebe wegen aus Bingen her. Er hat hier seine Loreley gefunden, wie er sagt. Arbeit findet er damals auf der Polizeidienststelle der Stadt, wo er bis zum Ruhestand arbeitet. Über die Jahrtausendwende lässt er sich als Bürgermeisterkandidat aufstellen. Und wird gewählt. Jedoch macht Heil von Beginn an klar, dass er das Amt nur für eine Periode antreten wird. Und er bewirkt eine entscheidende Veränderung für das Bürgermeisteramt. Die Freilichtbühne auf dem Loreley-Plateau soll künftig von einer externen Veranstaltungsfirma bespielt werden. Denn was beinahe unglaublich klingt, war zuvor jahrelange Praxis: Der Ortsbürgermeister von St. Goarshausen, ein Ehrenamt, hat die Künstler für Deutschlands „Rockfelsen“ an Land gezogen. Dort spielten immerhin Musiker wie Genesis, Bob Dylan, Carlos Santana oder Udo Jürgens.
Doch auch wenn ihm diese Arbeit dann erspart blieb, auch heute noch liegen die Geschicke der Bühne in den Händen einer Veranstaltungsfirma, blieben während seiner Amtszeit einige seiner Herzensprojekte in der Stadt liegen. Dinge, die er dann zum Teil gemeinsam mit der Bürgerinitiative umsetzt. „Als erstes haben wir das Betonpflaster aus der Gäsegasse herausgenommen und ausgetauscht. Mit so etwas pflastert man höchstens die Auffahrt zu einem Atomkraftwerk“, erinnert sich Heil. Die Stelle, an der das Haus einstürzte, wird offen gestaltet. Dort fällt seitdem Licht in die Gasse, und Fußgänger haben einen Blick auf Burg Katz. Reben werden gepflanzt, aus deren Trauben der „Gäsegasse Pflasterknaller“ gebrannt wird. Ein Traubenbrand mit 38 Volumenprozent. Und das Alte Rathaus wird saniert. Um nur einige Projekte zu nennen.
Noch immer blickt Heinz Heil allerdings mit Sorge in die Zukunft St. Goarshausens. Die Bürgerinitiative hat sich vor allem auf die Altstadt konzentriert. Jedoch gebe es auch andere Baustellen, wo etwas passieren müsse. „Es gibt hier allerdings eine gewisse Trägheit, die Dinge anzugehen. Und die Kreativität geht gegen null“, sagt Heil. Junge Menschen kehren der Stadt meist den Rücken, ihnen fehlt es an attraktiven Arbeitsplätzen in der Region. Einige, die geblieben sind, nehmen es in Kauf, bis nach Wiesbaden zu pendeln. Wer soll die Loreley-Stadt also künftig weiter voranbringen? Eine Frage, die sich wahrscheinlich nicht nur in St. Goarshausen stellt.
Und hier die Fotos zum Durchklicken:
5 Kommentare
Von Heinz Heil habe auch ich vieles über Sankt Goarshausen gelernt. Ihm zuzuhören ist erfrischend kurzweilig. Nur die Klage über Nachwuchsmangel für die BI Altstadt find ich etwas befremdlich. Ich hatte mich mehrfach als „Nachwuchs“ angeboten, aber man ging darauf nicht ein.
P.S.: Und was die Arbeitsplätze angeht, empfehle ich diesen Artikel auf mittelrheingold.de. Hier hat der Kollege Frank Zimmer recherchiert, dass die Arbeitslosenquote im Rhein-Lahn-Kreis (wie im gesamten Mittelrheintal) deutlich unter dem Bundesdurchschnitt liegt.
https://mittelrheingold.de/wohnen-in-ruedesheim-und-am-mittelrhein-gibt-es-noch-jobs/
Auch hört man Handwerksmeister und Gastronominnen hier oft über Arbeitskräftemangel klagen.
Heinz Heil ist ein toller Kerl und Kenner der Stadt. Ohne ihn wäre ich sicherlich nicht hierher gekommen .. Danke Heinz
Für uns St.Goarshäuser klingt das Wort „Gäsegasse“ total fremd, für uns ist das die „Gäsegass“!
Bin schon lange nicht mehr dort gewesen.Ein befreundetes Ehepaar aus Rotterdam verbrachten ihren Urlaub solange es ging, in St,Goarshausen.Haben mich einige male mitgenommen und mich dann in Oberwesel bei meiner Mutter abgesetzt.Aber ja,die beiden leben schon einige Zeit nicht mehr,schade.Sie konnte immer so herzlich lachen,vermisse sie heute noch.