„Braucht noch jemand einen BH?“, ruft Thomas Gundlach der Gruppe zu und lacht. Mit seinem Müllgreifer hebt er das Kleidungsstück vom Boden auf und hält es für alle sichtbar hoch. Einige Meter weiter finde ich im selben Moment eine Kondomverpackung. Nicht schwer, hier jetzt eine Assoziationskette zu bilden. Sex am Rhein, warum nicht? Seinen Abfall sollte man dann aber zumindest wieder mitnehmen.
Am Samstag fand der erste „Rhine Cleanup Day“ statt. Ein Düsseldorfer Verein hatte dazu aufgerufen, den Rhein von der Quelle zur Mündung von Abfall zu befreien. 59 Städte mit rund 10.000 Freiwilligen sind dem Aufruf gefolgt. Die meisten davon in Deutschland, aber auch in den Niederlanden, der Schweiz, Frankreich und Österreich. In Rheinland-Pfalz haben sich Sinzig, Vallendar, Rhens, Brey, Boppard, Sankt Goar, Bacharach, Bingen, Ingelheim, Heidesheim, Budenheim, Mainz, Nierstein, Oppenheim, Ludwigshafen und Germersheim an der Aktion beteiligt.
Lokaler Initiator in Bacharach war Thomas Gundlach. Via Facebook hatte er Menschen aus der Region dazu aufgerufen mitzumachen. „Darüber hinaus habe ich aber nicht viel Werbung gemacht, weil wir zuvor den Eindruck hatten, dass der Rheinabschnitt um Bacharach nicht so stark verschmutzt ist“, sagt Gundlach. Am Nachmittag werden aber dennoch einige gefüllte Müllsäcke zusammengekommen sein. Und auch einige kuriose Funde.
„Wir hatten gar nicht damit gerechnet, dass direkt beim ersten Mal so viele mitmachen“, sagt Joachim Umbach, einer der Initiatoren des „Cleanup“-Projekts aus Düsseldorf. Nicht die Menge an gesammeltem Müll sei relevant, sondern die hohe Teilnehmerzahl. „Damit setzen wir ein Zeichen, dass die Vermüllung mittlerweile Überhand genommen hat und wir etwas dagegen tun müssen.“ Die Aktion war eigentlich nur bis 13 Uhr geplant. „Wir haben aber niemanden aufgehalten, der auch nach Ende der Aktion noch gesammelt hat“, sagt Umbach. In Köln fand am Nachmittag sogar noch eine zweite Aktion statt.
In Bacharach standen am Samstagmorgen elf Helfer bereit, darunter auch eine Mutter mit ihren zwei Kindern. Und sogar eine junge Frau aus der Nähe von Pfalzfeld im Hunsrück ist mit einem Freund dabei. Von denen, die bei der Aktion mitmachen, würde wohl niemand seinen Abfall achtlos am Rheinufer zurücklassen. Logisch. Das wird mir anhand der Gespräche auch schnell klar. Allerdings scheint es noch immer zu viele Menschen zu geben, die dafür kein Bewusstsein entwickelt haben. Woran auch immer das gelegen haben mag. Erziehung, Gleichgültigkeit oder gar Absicht? Was die Menschen antreibt, ihren Müll in der Natur zurückzulassen, darüber lässt sich nur spekulieren.
Weil die Gruppe in Bacharach groß genug ist, gehen auch einige Helfer die Straßenränder der B9 entlang, um Abfall einzusammeln. Ich übernehme den Radweg direkt neben der Bundesstraße. Was ich dort überwiegend finde, sind wohl die Klassiker: Zigarettenschachteln und Taschentücher. Aber auch eine Taschenlampe oder Handyhülle liegen im Gras. Die Helfer am Rhein ziehen da schon skurrilere Funde aus dem Wasser. Einen Thermoangleranzug beispielsweise. Oder einen riesigen Stoffteddy. Letzterer ist so vollgesogen und schwer, dass es vier Männer braucht, um ihn auf den Traktoranhänger zu hieven. Wie der Teddy den Weg in den Rhein gefunden hat, auch darüber lässt sich nur spekulieren. „Vielleicht hat er sich in Mainz von der Brücke gestürzt“, scherzt einer der Helfer.
Als wir uns kurz am Ufer sammeln, beobachte ich in einigen Metern Entfernung einen Hund, der unter einem Baum in die Hocke geht. Er gehört zu einem älteren Ehepaar, das mit dem Fahrrad unterwegs ist. Keinen der beiden scheint es zu kümmern, dass ihr Vierbeiner dort gerade sein Geschäft erledigt. Bevor sie jedoch weiterfahren können, gehe ich hin und spreche sie an. Ich verweise auf die Kotbeutel, die Hundehalter sich an verschiedenen Stationen am Rheinufer kostenlos nehmen können. Doch die Frau reagiert leicht pampig. „Schauen Sie bitte genau hin, wenn Sie Leute ansprechen. Das ist eine Hündin, die verrichtet so auch ihr kleines Geschäft.“ Sie hat recht, Kot finde ich nicht. Ich entschuldige mich, die drei ziehen weiter. Ihre Reaktion lässt mich irgendwie stutzig zurück. Das hat man davon, wenn man Courage zeigt. Abschrecken wird mich das für die Zukunft aber nicht. Ich bleibe weiter wachsam. Bis auch der Letzte kapiert hat, dass es für Müll nur einen Ort gibt: die Abfalltonne.
P.S. Vielen Dank an alle Helfer, nicht nur in Bacharach.
Diesmal gibt’s leider nur wenige Fotos. Die Kamera hatte ich im Auto gelassen, stattdessen hab ich lieber mit angepackt. Ein paar Fotos mit dem Smartphone hab ich dann aber doch gemacht.
2 Kommentare
Nicht nur am Rhein, auch anderen Orts sieht es manchmal übel aus.
Regelmäßig wirft jemand Ganze Mülksäcke im Niederburger Ellig an den Straßenrand.
Ich Frage mich immer:
Wie schaut es bei diesen Leuten zuhause aus?
Warum tun sie das?
Was möchte er oder sie den Mitmenschen damit sagen?
Habe mich gewundert das auch Niederlaender mitgetan haben.Es ist wirklich schandalig was die nicht alles auf die Strasse u.s.w. schmeissen.Hundepup findet man hier ueberall.Altes Brot fliegt aus den Fenstern,Singvoegel sieht und hoert man hier kaum noch ,wenigstens da wo ich wohne nicht.Ratten braucht man nicht zu suchen, laufen einem auch so ueber den Weg.
Es gruesst Maria Schmelzeisen.