„Man muss mit einem Defizit rechnen“ – So lief die Buga-Diskussion in St. Goar

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Schnell noch ein Selfie machen.

Es war alles dabei: Von Beschwerden über schlechte Grammatik über flammende Plädoyers für eine Buga am Mittelrhein bis hin zu Zweifeln, ob eine Regionalbuga überhaupt funktionieren kann. Alles Beiträge vom engagierten Publikum wohlgemerkt! Ich erlebte die Diskussion in der Rheinfelshalle in St. Goar vom Podium aus. Der “Freundeskreis der Buga” hatte mich gebeten, die Veranstaltung zu moderieren. Das hat viel Spaß gemacht. Obwohl am Anfang erst mal einiges nicht so lief, wie geplant.

Ein wenig aufgeregt war ich schon. Schließlich ist eine mögliche Buga 2031 am Mittelrhein ein Großprojekt, auf das viele Leute auch kritisch blicken. Und es gibt viele Berührungspunkte mit heiklen Themen wie Bahnlärm oder Brücke, die die ganze Region emotionalisieren. Da kann die Stimmung im Saal schnell kippen. Deswegen war es mir wichtig, mich im Vorfeld gut zu präparieren. Schlagfertigkeit und Spontanität wollen schließlich gut geplant sein.

Natürlich habe ich darum noch mal intensiv die Vorstudie zur Buga 2031 gelesen. Ich habe mit allen Teilnehmern Vorgespräche geführt. So kannte ich viele der Kernaussagen der Diskussionsteilnehmer Rainer Zeimentz (EA RLP), Frank Puchtler (Zweckverband Welterbe) und Clas Scheele (RMP Lenzen) schon vorher und konnte entsprechende Nachfragen vorbereiten. Dazu habe ich mich mit einigen Fakten präpariert, zum Beispiel mit ein paar Statistiken zum Tourismus in Rheinland-Pfalz. Das meiste davon habe ich in der Diskussion nicht gebraucht, aber es ist immer gut, ein bisschen was in der Hinterhand zu haben. Doch alle Vorbereitung nutzt nix, wenn man im letzten Moment improvisieren muss.

Kurz vor der Diskussion sagte Karolin König-Kunz ab, die Bloglesern gut bekannte Chefin vom Weißen Schwanen. Ersatz war kurzfristig nicht zu kriegen. Für mich als Moderator war das aus mehreren Gründen ein Problem. Zum einen: Nur Männer auf dem Podium. Hier am Mittelrhein reagieren die Menschen da eher gelassen teilnahmslos drauf. Das kenne ich durchaus anders von Veranstaltungen in Städten. Übrigens kamen auch aus dem Publikum keine Wortbeiträge von Frauen, obwohl viele anwesend waren. Gibt mir schon zu denken, warum das so ist. Vielleicht hat ja eine Besucherin der Diskussion oder eine Blogleserin eine Erklärung dafür. 

Aber ich schweife ab. Durch die Absage musste ich jedenfalls kurzfristig meine Moderation umplanen. Schließlich fielen dadurch die Wortbeiträge einer Person weg. Außerdem hatte ich einen ganzen Block Fragen zum Thema Gastronomie und Hotellerie vorbereitet, die auf Karolin König-Kunz zugeschnitten waren. Ich bereitete als Ersatz ein paar Fragen vor, auf die ich zurückgreifen konnte, sollte die Diskussion schneller zum Ende kommen als geplant. Was, dank ausführlicher Wortbeiträge von Rainer Zeimentz und Frank Puchtler, nicht der Fall war ;)

Kurz vor Beginn der Veranstaltung war dann klar, dass Clas Scheele von RMP Lenzen zu spät kommen würde. Das machte mich jetzt nicht völlig nervös. Aber ideal ist auch das nicht für den Einstieg. Zum Glück hat am Ende alles gut geklappt und es hat sich trotz der kleinen Probleme eine spannende Diskussion ergeben. Als Moderator war ich natürlich sehr auf den Gesprächsverlauf konzentriert und hatte keine Zeit, mir noch Stichpunkte zu machen. Aber das sind die Dinge, die ich aus der Diskussion mitnehme.

  • Wer eine Buga plant, geht eigentlich immer von einem Defizit aus. Zumindest bei RMP Lenzen tun sie das, wie Clas Schele erläuterte: “Wenn wir zu Gartenschauen beraten, sagen wir immer, dass man mit einem Minus rechnen muss. Alles andere wäre nicht seriös.” Koblenz 2011, von RMP Lenzen geplant, war in der Hinsicht eine große Ausnahme. Nur zwei Jahre später, bei der ebenfalls von RMP konzipierten IGS in Hamburg, blieb am Ende ein großes Defizit. Warum also eine Buga  machen, wenn am Ende mit hoher Wahrscheinlichkeit Schulden bleiben? Weil die langfristigen Investitionen das (hoffentlich) ausgleichen. Ich fand das sehr gut, dass Clas Schele das in St. Goar so offen und ehrlich gesagt hat. Gerade in den Medien wird am Ende hauptsächlich über Besucherzahlen und Veranstaltungsbilanz abgerechnet. Bleibt ein Defizit, heißt es sofort: “Die Buga war ein Flop”. Aber das ist eben nur die eine Seite der Medaille. Die andere ist: Was ist insgesamt in die Region an Investitionen geflossen und wie viel davon wird noch bleiben? Das heißt nicht, dass man das Geld mit beiden Händen zum Fenster rauswerfen soll, weil es ja sowieso ein Minus gibt. Aber ich finde es wichtig, dass die Menschen mit der richtigen Erwartung an so ein Projekt rangehen. Und Millionengewinne sind eben eher nicht zu erwarten.
  • Gute Ideen müssen vor Ort entstehen. Auch das ein schöner Moment der Ehrlichkeit von Rainer Zeimentz von der Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz, als er sagte, dass er nicht daran glaube, Heerscharen von Gründern und Uniabsolventen an den Mittelrhein locken zu können. Es fehlt noch an vielem: Mobilitätslösungen. Ansprechende Unterkünfte in entsprechender Qualität. Digitale Angebote. Impulse von außen schaden nie, sagte Clas Schele. Aber auch hier geht es um die richtigen Erwartungen. Der Mittelrhein ist kein El Dorado für Existenzgründer, Punkt. Aber es gibt viele Menschen, die hier erfolgreich etwas aufgebaut haben. Und jetzt weiter investieren und neue Dinge schaffen. Davon braucht es in den kommenden 15 Jahren noch mehr. Viel mehr. Was mich zum letzten Punkt bringt.
  • Die Menschen hier haben es selbst in der Hand. Das war für mich die zentrale Botschaft des Abends. Brücke, Bahnlärm und viele andere Dinge können nicht allein hier in der Region gelöst werden. Da müssen teilweise ganz große Räder gedreht werden. Aber wenn die Menschen im Welterbegebiet eine Buga wollen, kriegen sie sie auch. Und dann ist es an ihnen, was draus zu machen. Wenn sich alle hinsetzen und abwarten, wie das wohl so wird mit der Buga, wird gar nix passieren. Ein bisschen Mentalitätswandel muss dann schon kommen. 

Was sind eure Gedanken und Erwartungen zum Thema Buga? Schreibt mir gerne ein paar Kommentare dazu.  

Die Rhein-Zeitung hat auch ein Video zu der Veranstaltung erstellt.

4 Kommentare

  • Petra Weckerle says:

    Ich persönlich habe auch an der Buga-Veranstaltung in St. Goar teilgenommen und lese jetzt den Beitrag von dir, Burgenblogger – insbesondere auch als Frau. Diesmal kam kein Wortbeitrag von mir doch ich war aktiv präsent und habe mich anschließend engagiert mit Bürgern aus der Region ausgetauscht. (dennoch keine Ausrede gilt). Ich appelliere hier auch an die Vertreterinnen aus der Region – insbesondere aus dem Tourismus – sich „einzumischen“ einschließlich innovativer und rhetorisch geschulter Weinköniginnen. Warum konnte am Abend kurzfristig nicht eine Vertreterin gefunden werden? Im Publikum befanden sich mehrere Repräsentantinnen des Öffentlichen Lebens.

    Wichtig fand ich am Abend in der Rheinfelshalle auf jeden Fall die kontroverse Diskussion zur geplanten Buga 2031-Bewerbung der Region. Mit einem starken Selbstbewußtsein (das ich teilweise noch eher wenig sehe), einer hohen Motivation und Überzeugungskraft aller sollten die Menschen an die große Herausforderung herangehen. Soviele wie möglich sollten sich engagieren. Auf fällt mir leider, dass viele Bürger des Mittelrheintals noch nicht einmal von der Idee der Buga wissen – sie werden entweder zu wenig informiert oder informieren sich selbst kaum, da teils resigniert – auch von der Bahnlärmdebatte. Ich selbst versuche bei Treffen und Begegnungen und auch nach den offiziellen Buga-Veranstaltungen wie dieser immer wieder als Multiplikator zu fungieren – für ein lebenswertes und zukunftsfähiges Mittelrheintal – insbesondere auch für meinen Geburtsort Lorch am Rhein.
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    • Moritz Meyer says:

      Hallo Petra, danke für den ausführlichen Kommentar. Wir haben bis kurz vor Beginn noch nach einer Alternative gefahndet. Leider erfolglos. Wir wollten es auch nicht übers Knie brechen, da schließlich eine gewisse Vorbereitung auf so eine Diskussion von allen Seiten nötig ist. Aber jetzt haben wir ja schonmal einen Anfang gemacht mit deinem Kommentar :) Bis demnächst mal, LG Moritz

  • Manfred Hirsch says:

    Bin gerade in Südtirol und habe den Artikel aufmerksam gelesen. Da ich ja am Mittelrhein wohne und großer Gartenfan bin würde eine Bugatti mein Herz aufgehen lassen. Ich habe nur extreme Bedenken wegen des Lärms den die Bahn verursacht. Selbst sehr geschädigt wird es die Gäste weiter vertreiben. Ich glaube an dem Bahnlärm liegt die Wurzel allen Übels. Wenn der Lärm nicht in den Griff zu bekommen ist wird alles andere darunter leiden. Schade, schade,

    • Moritz Meyer says:

      Lieber Herr Hirsch, danke für den Kommentar. Ich hoffe sehr, dass der Bahnlärm nicht die Buga-Entwicklung übertönt. Wie ich im Blog schon schrieb: Bahn und Buga sind letztlich zwei verschiedene Diskussionen. Ich glaube, man muss eine Buga völlig unabhängig davon planen und darf sich nicht in die Falle begeben, eine erfolgreiche Buga vom Lösen des Bahnlärms abhängig zu machen. Dann wird es nix. Umgekehrt glaube ich eher daran: Wird die Buga gut und erfolgreich geplant, kommen sie auch in punkte Bahnlärm ein gutes Stück weiter. Schließlich richtet sich dann die Aufmerksamkeit des ganzen Landes auf diese Region. Das wird auch auf die handelnden Akteure Druck ausüben.