Sie heißen Anita, Flotte Lotte oder Santa Maria. Sie bringen Sand, Weihnachtsgänse und Sonnenblumenöl. Mit 30 Jahren sind sie alte Damen und schneller als 25 Stundenkilometer sind sie nur flussabwärts. Die Rede ist von Binnenschiffen auf dem Rhein.
Aus meinem Burgzimmer habe ich einen herrlichen Rheinblick. Und als Burgenbloggerin stehe ich hin und wieder eine Weile dort, sinniere über das Mittelrheintal und warte darauf, dass die nächste Textidee mich findet. Dabei fällt einem schnell auf, dass viele Schiffe flussab- und aufwärts den Rhein entlang fahren.
Neben der Frage, wie viele es wohl seien mögen, interessierte mich die Umweltverträglichkeit der Binnenschiffe, schwebte die Nachricht der ganzen Auto-CO2-Abgas-Skandele doch noch irgendwo im Raum.
Zunächst wollte ich die Schiffe zählen, verwarf den Gedanken wegen mangelnder empirisch-statistischer Aussagekraft schnell wieder und meldete mich beim Wasser- und Schifffahrtsamt, kurz WSA, in Bingen.
Auf meine Frage, wie viele Schiffe es seien, die täglich Bingen und damit auch Niederheimbach passieren, konnten sie allerdings keine genaue Antwort geben. Dies schwanke zwischen 200 und 220 Schiffen am Tag. Im Sommer seien es natürlich mehr aufgrund der Flusskreuzfahrtschiffe und der Tagesausflugsschiffe. Im Winter seien es eben weniger.
Im Jahr käme man in Bingen zumindest auf 50.000 bis 60.000 Frachtschiffe, so die WSA. Das sind in etwa 160 Frachtschiffe am Tag. Die Zahl klingt zunächst nicht hoch, ein Frachtschiff ersetzt aber im Schnitt etwa 200 Lkw.
Jährlich werden laut WSA Bingen 50 bis 60 Millionen Güter über den Rhein transportiert. Nicht umsonst gehört der Rhein zwischen Basel und seiner Mündung in die Nordsee zu den am stärksten befahrenen Wasserstraßen der Welt (Wikipedia). Er ist eine der wichtigsten Transportachsen.
Transportiert werden Güter aller Art: Baumaterialien wie Sand, Stein oder Erze, Metalle, Schrott, Erdöl, Erdölderivate, Gase, Futtermittel oder Lebensmittel – sowie die besagte Weihnachtsgans.
Die Binnenschiffe fahren in der Regel mit ähnlichen, aber stärkeren Dieselmotoren als Lkw. Der verwendete Treibstoff darf seit 2011 kaum noch Schwefel enthalten und seit diesem Jahr gibt es eine neue EU-Verordnung mit verschärften Feinstoff-Grenzwerten. Diese beziehen sich aber nur auf neu zugelassene Schiffe. Die meisten Schiffsmotoren sind jedoch veraltet. Das Nachrüsten von Katalysatoren und Partikelfiltern ist teilweise möglich, oft aber viel zu teuer. Für die kleinen Schifffahrtsunternehmen lohnt sich eine solche Investition kaum. Nachgerüstet werden die Touristenschiffe, denn schlechte Luft sorgt für Beschwerden der Fahrgäste.
Trotz der teils schlechten Motoren, sind die Binnenschiffe im Vergleich zu Lkw ein umweltfreundliches Transportmittel. „Pro Kilometer Fracht stößt ein Binnenschiff nach einer Berechnung des Umweltbundesamtes nur 33 Gramm CO2 aus, damit kommt ein Kleinwagen kaum 300 Meter weit.“ („Süddeutsche Zeitung“)
Ein weiterer Aspekt sind die schwimmenden Hotels: Die Binnenkreuzfahrtschiffe erleben einen weltweiten Boom. Und dieser ist auch am Mittelrhein spürbar. Für die Tourismusstatistik ist das natürlich toll, für die meisten Orte nicht. Denn die Vikings oder Nicko Cruises legen nur gezielt an und die Vollverpflegung findet auf dem Schiff statt.
Laut einem Gerücht, dass die WSA vernommen hat, ist ein Binnenkreuzfahrtschiff nach etwa vier Jahren abbezahlt. Das Geld wandert an in der Schweiz oder in Luxemburg ansässige Firmen – mehr will man da gar nicht unbedingt wissen.
Mein Blick wandert gen Horizont und ich stelle mir ein altes Holzmastschiff ähnlich der „Black Pearl“ mit singenden Piraten vor, während „I’ve been looking for freedom“ vom Tagesausflugsschiff zu meinem Turmzimmer hochschallt und ich kleine Figuren auf dem Deck tanze sehe.
Kommentare sind geschlossen.