„Man kann ja mal versuchen, sein eigenes Kiezmanagement zu betreiben,“ sagt Katrin Gloggengießer lachend und fügt hinzu: „Ich versuche einfach, die städtischen Strukturen, die ich brauche, in Bacharach selbst zu initiieren.“ Und das funktioniert erstaunlich gut, wie ich finde.
Seit 2017 lebt die begeistert erzählende Kuratorin und Kommunikationsdesignerin mit dem herzlichen Lachen in Bacharach. „Schau dir den Ort an: Er hat so viel Altbau, schönen Wohnraum und das zu erschwinglichen Mieten – wo gibt es das sonst? Wir müssen einfach versuchen, die jungen Leute hierhin zu holen. Dazu braucht es nette Cafés, gute Bars und kulturelle Räume.“
Im Mai dieses Jahres eröffnete Katrin Gloggengießer ihre kleine Galerie „Markt 1“ mit der Unterstützung des Verschönerungsvereins Bacharach e.V. 1873, des Zweckverbands Welterbe Oberes Mittelrheintal und des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.
Das erste Ausstellungsprojekt war eine Retrospektive der BACCHANALE, ein in Bacharach stattfindendes Theaterfestival unter Theater Willy Praml, und startete nicht gerade unter einfachen Bedingungen: Die ersten Corona-Lockerungen traten nach wochenlangem Lockdown ein. Viele Menschen hatten zwar das Bedürfnis rauszukommen, waren jedoch zu Recht noch vorsichtig und zurückhaltend. Und trotzdem erfreuten sich viele interessierte Besucher an der Ausstellung.
Während ich mit Katrin spreche – wir sitzen auf zwei Stühlen vor dem Galerieeingang – kommen immer wieder Leute, um sich die aktuelle Ausstellung anzusehen. Schnell entsteht das Gefühl, Bacharach habe genau auf einen solchen Ort gewartet, und auf Katrin Gloggengießer, die den innerstädtischen Leerstand mit Kreativität belebt.
Die meisten Besucher kämen aus dem Tal und der Umgebung und das freue Katrin auch. Denn nur so könne sich der Showroom etablieren, über die Menschen aus der Region.
Katrin, die hauptberuflich in Mainz arbeitet, öffnet die Galerie nur am Wochenende sowie nach Vereinbarung. Eigentlich war es nicht ihr Plan, in Eigenregie Kunstausstellungen zu initiieren und zu kuratieren. „Früher habe ich selbst mal gemalt und ausgestellt. Aber auf der anderen Seite zu stehen, das war nie meine Idee.“
Der kleine Raum stand seit Oktober 2019 leer, den beiden Vermietern gefiel die Idee einer kleinen Galerie sofort und so hat es nicht lange gedauert bis Markt 1 auf den 20 Quadratmetern Fläche entstand. Die zwei großen Schaufenster zur Ecke Langgasse und Markstraße ermöglichen auch von außen einen guten Blick auf die im Innenraum gezeigten Werke und eignen sich super als transparente Leinwand für Zitate.
„Vielleicht entwickelte sich die Idee einer eigenen Galerie auch daraus, dass ich als Grafikerin vorwiegend im Printbereich arbeite – Magazine gestalte, Zeitungen und Broschüren layoute und oft mit Ausstellungsdesign in Berührung bin. Hier kann ich alles verknüpfen: Von der Gestaltung der Wände, des Schaufensters bis zu den Printprodukten liegt alles in meiner Hand sowie natürlich die Ausstellung selbst.“
Zwischen den Häusern hört man Teller klimpern, es riecht nach Bratkartoffeln und nach gut bürgerlicher Küche, die Kirchenglocke läutet zum Abendessen und die mediterrane Stimmung Bacharachs fließt um einen herum. Ich freue mich, wieder hier zu sein und beobachte für einen Moment die Menschen, die an uns vorbei gehen.
„Das Tolle an der Galerie ist, dass sie automatisch ein Ort der Interaktion und des Austauschs wird.“ Damit meint Katrin nicht nur die Menschen, die ihren Showroom besuchen und sich die Aquarellbilder und Tuschzeichnungen der laufenden Ausstellung der Urban Sketchers ansehen. Sondern vor allem das Konzipieren einer Ausstellung und das Bespielen des Raumes. „Man beginnt mit einer kleinen Idee. Erzählt diese einem Freund oder Bekannten, dem fällt gleich eine Verbindung ein und so erhalte ich hier vor Ort viele Anregungen und Kontakte. Die Projektideen wachsen immer weiter und ein Netzwerk des Austauschs und Miteinander entsteht gleich mit.“
Der Bedarf nach Kulturangeboten, kulturellen Veranstaltungen sei da, man müsse ihn nur bedienen und vor allem miteinander arbeiten und kommunizieren. Und das kann Katrin. „Eine Galerie zu führen ist meiner Meinung nach keine Einzelkämpfergeschichte, sondern etwas, das gemeinschaftlich gedeiht“, sagt sie.
Ein wenig erinnerten sie Bacharachs leerstehende Schaufenster an Berlin in den 90er-Jahren – viele leere Ladenflächen, günstiger Wohnraum und die Lust etwas zu verändern, selbst zu gestalten. „Damals wurden auch einfach Räume neu bespielt, ob mit Cafés oder Galerien, kleinen Geschäften.“ So ein Potenzial sehe sie hier auch, also warum nicht einfach mal loslegen? Und „Kiezmanagement betreiben“, wie sie sagt.
Bevor Katrin und ihr Mann nach Bacharach zogen, hatten die beiden kaum Berührungspunkte mit dem Rheinland. Zehn Jahre lebten sie auf Bauernhöfen in Niedersachen, davor in Berlin, Würzburg und München. Die Wohnung in Berlin habe sie immer noch. In dieser wohne zwar mittlerweile ihre Schwester, doch um Freunde zu besuchen und Inspiration zu sammeln, täte eine Berlinwoche immer gut. Die Inspiration nimmt Katrin dann mit nach Bacharach.
Wenn sie erzählt, vermischen sich ein Hauch Münchner Dialekt mit der Berliner Art, Dinge zu formulieren. Es macht Spaß, ihr zuzuhören und ihre Begeisterung mitzunehmen für das, was sie vorhat.
Katrin ist eher städtisch sozialisiert, wie sie von sich sagt. Doch diese städtische Struktur finde man in Teilen schon in Bacharach vor. „Das ist kein Provinznest“, sieht sie mich an, „sondern man merkt, dass die Region durch die Weinkultur geprägt ist.“ Und den Rest könne sie selbst initiieren.
Von Bacharach könne man gut nach Mainz oder Frankfurt pendeln und das Wohnen sei eben wunderschön.
„Natürlich sagt sich hier Fuchs und Hase „gute Nacht“. Doch es ist schön, die Menschen auf ihren gleichen Routen durch die Gassen und Wege Bacharachs zu beobachten. Jeder hat hier seinen Pfad.“ Und beobachten kann man aus den großen Fenstern der Galerie sehr gut: Der Panoramablick liegt auf dem kleinen Kiez zwischen Hotel Stüber und Marktturm, wo eine Menge Menschen flanieren.
„Das Südfrankreich-Gefühl ist da, doch gleichzeitig findet man hier an manchen Orten eine erdrückende Schwermut“, sagt Katrin. Ich verstehe, was sie meint: Es gibt Orte, an denen scheint die Zeit stillzustehen, beinahe wirken sie wie eine Attrappe, vergessen und leer. Und andere verändern sich, die Strukturen brechen auf und der Putz der Wände, zwischen denen die ohnehin nicht wiederkehrenden Kegelclubs einst feierten, bröckelt ab. „Man könnte meinen, der Zeitgeist trägt sich von alleine fort. Aber so ist das nicht“, fügt Katrin nachdenklich hinzu, „es gibt Hotels, denen genügt es, wenn Gäste einmal kommen und dann nicht mehr. Aber auch das wird sich auf Dauer ändern. Das „Old Europe“-Bild der Amerikaner und Asiaten bricht nach und nach auf.“
Wahrscheinlich bedarf es öfter mal einer Perspektive von außen, denke ich, um zu sehen, welche Stärken ein Ort neben Weinbau und Rheinromantik hat. Katrin Gloggengießer und ihr Showroom tragen einen Teil dazu bei.
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