Im ersten Teil des Interviews mit dem Koblenzer Oberbürgermeister Joachim Hofmann-Göttig haben wir über die Buga 2031, Bahnlärm und die positiven Entwicklungen im Mittelrheintal geredet. Im zweiten Teil will ich wissen, wie die Unesco funktioniert und ob Koblenz den Welterbetitel wirklich braucht.
In welcher Rolle sehen sie die Stadt Koblenz im Welterbegebiet?
Wir sind als nördliches Eingangstor und Oberzentrum Ausgangs- und Endpunkt vieler Reisender. Wenn sie an einem beliebigen Tag ans Rheinufer gehen, dann sehen sie da jede Menge Schiffe, viele Menschen, die für ein paar Stunden in Koblenz sind. Das Kunststück, das wir zu bringen haben, ist, dass die Menschen nicht zufrieden sein sollen mit den zwei Stunden, sondern wiederkommen sollen. Und je nachdem wie lange sie bleiben, erleben sie auch andere Teile der Region.
Gut, dann kommen die Touristen nach Koblenz, machen mal nett eine Schiffchenfahrt ins Tal, aber kehren zum Übernachten wieder zurück. Das heißt, einen Großteil ihres Geldes lassen sie hier. Die Menschen in St. Goar oder Oberwesel oder Boppard profitieren nicht davon, die brauchen die Übernachtungen direkt im Tal.
Das mag so sein. Aber wir ketten die Menschen hier ja nicht an. Wandertouristen, die hier ankommen und zu Mehrtagestouren aufbrechen, übernachten auch im Tal. Das habe ich selbst auch schon so gemacht. Und die Region braucht die Strahlkraft des Oberzentrums. Die Leute wollen die Vielfalt kultureller Angebote, die wollen Einkaufen gehen. Das ist eine Chance für die Region.
Brauchen sie denn umgekehrt das Welterbe? Sie kommen doch gut ohne zu Recht.
Diese Meinung haben viele. Wenn wir heute die Bürger befragen, ob wir den Titel behalten wollen, könnte es durchaus knapp werden. Viele würde wohl sagen: Ist uns egal. Man darf den Bogen deswegen nicht überspannen. Hätte die Unesco uns tatsächlich mit der Aberkennung des Titels gedroht, wenn wir die Seilbahn behalten, und die Leute hätten sich entscheiden müssen zwischen Seilbahn oder Welterbetitel, hätten die meisten gesagt: Dann nehmen wir die Seilbahn. Wenn die Bevölkerung den Eindruck hat, mit dem Welterbe sind nur Restriktionen verbunden, und das sind Spielverderber, die jegliche Entwicklung kaputt machen, dann geht die Akzeptanz für den Titel verloren.
Was ich nicht verstehe, ist die Unesco-Bürokratie. Länder wie Senegal oder Kolumbien entscheiden darüber, ob wir eine Brücke, eine Seilbahn oder ein Altenheim ins Welterbegebiet bauen dürfen. Sie haben das selbst erlebt und können mir vielleicht erklären: Wie tickt diese Organisation?
Ich habe zweimal an einer Welterbesitzung teilgenommen, in Budapest und Sevilla. Sagen wir mal so: Ich habe schon funktionsfähigere Administrationen kennengelernt als das Welterbekomittee. Aber man muss auch sagen: Die verwalten etwas, was nicht so im greifbaren Bereich liegt. Wir reden von Kulturschätzen. Und ob die jetzt mit so einem Titel zu belegen sind oder nicht, ist schwer zu objektivieren. Und darum lässt man sich beraten von Fachorganen wie Icomos, dem Internationalen Rat für Denkmalpflege. Grundsätzlich macht der sich stark für eine Bewahrung von Denkmälern. Öffentliche Nutzung wird dort kritisch – in meinen Augen oft zu kritisch – hinterfragt.
Was ist Ihr Standpunkt?
Öffentliche Mittel zur Erhaltung der Burgen kann man nur akquirieren, wenn man der Öffentlichkeit etwas zurück gibt. Wir hatten damals beim Antragsverfahren das große Glück, dass wir es mit einem Gutachter zu tun hatten, der uns sehr nahe stand. Das war Robert de Jong, der Landeskonservator der Niederlande, die Denkmalpflege auf höchstem Niveau haben. Und deswegen vergesse ich nie seine erste Frage, als wir mit ihm unterwegs waren: “Was haben sie für ein Marketingkonzept, damit die Menschen auch wirklich kommen?” Damit habe ich nicht gerechnet: Ich dachte, man müsste sich verschämt dazu bekennen, dass man mit dem Welterbetitel auch Touristen anlocken will. Er sah es genau andersherum. Das hat mir gefallen. Er hat natürlich auch Schwächen gesehen. Aber ihm ging es darum, den Titel an eine Region zu vergeben, die dann auch was daraus macht.
Ist es der Region denn gelungen, was daraus zu machen?
Ich finde schon. Ich bin keiner, der sagt: Was nicht 100 Prozent ist, ist gar nix. Wenn ich sehe, es haben sich zehn Prozent verbessert, dann sage ich: Es ist besser geworden. Und im Mittelrheintal ist es sicher mehr. Die Zusammengehörigkeit hat sich in den 14 Jahren verstärkt, auch weil es den Zweckverband Mittelrhein und andere Initiativen und Organisationen gibt. Und jetzt sind wir wieder beim Thema Buga: Die wäre völlig undenkbar, wenn wir den Zusammenhalt nicht über den Zweckverband organisieren könnten. Das wäre ohne den Welterbetitel schlicht illusionär. Wir haben auch von Fördermitteln des Bundes profitiert, die es vorher nicht gegeben hat. Es ist also auch Geld in die Region geflossen. Aber viel wichtiger ist: Es hat sich Stolz auf diese Landschaft entwickelt.
Aber so ganz ist man nicht da, wo man eigentlich sein will.
Nein, das habe ich ja auch gesagt. Aber die einen diskutieren über das halbvolle und die anderen über das halbleere Glas. Selbst wenn sich nur zehn oder zwanzig Prozent verbessert haben, ist das immer noch besser als Stillstand oder Rückschritt. Hundert Prozent haben wir sicher nicht, keine Frage. Aber wir haben uns auf den Weg gemacht.
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