„Die Brücke müssen wir hinkriegen.“ – Interview mit dem Koblenzer Oberbürgermeister Joachim Hofmann-Göttig (Teil 1)

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Die Seilbahn zur Festung Ehrenbreitstein muss bleiben, sagt der Koblenzer OB.

Vor 14 Jahren ist das Obere Mittelrheintal Weltkulturerbe geworden. Ich will wissen, was der Titel mit der Region gemacht hat. Und was die Region aus dem Titel gemacht hat. Darum habe ich mich mit dem Koblenzer Oberbürgermeister Joachim Hofmann-Göttig getroffen. Als Kulturstaatssekretär war er wesentlich dafür verantwortlich, dass die Unesco den Titel an die Region vergeben hat. Mit ihm habe ich über die Herausforderungen für das Tal geredet, über die Buga 2031 – und über das Wetter.

Der Koblenzer Oberbürgermeister begrüßt mich, als hätten wir uns zum Gespräch unter Kollegen getroffen. „Ich blogge ja auch“, sagt Joachim Hofmann-Göttig gleich zu Beginn unseres Gesprächs. Natürlich kenne ich seine Webseite, die ich, vom etwas in die Jahre gekommenen Layout sehr gelungen finde. Besonders gut gefällt mir sein Gästebuch. Eigentlich hielt ich auch diese Webseitenfunktion aus dem Jahr 2001 für ausgestorben. Aber der Koblenzer OB nutzt sein Gästebuch wirklich gut, um mit den Koblenzern in Kontakt zu kommen. Was manchmal dazu führt, dass er sich mit einem vermeintlich falsch geparkten Umzugswagen beschäftigen muss. Aber das gehört dann wohl dazu, wenn man Bürgerdialog leben möchte. Aber deswegen bin ich nicht gekommen. Ich will mit ihm über den Mittelrhein sprechen. Mehr als eine halbe Stunde reden wir ausführlich über Koblenz, das Tal, die Buga 2031. Der zweite Teil des Gesprächs erscheint am kommenden Sonntag, 17. Juli.

Joachim Hofmann-Göttig, OB von Koblenz.

Herr Hofmann-Göttig, ich will etwas machen, was man als Journalist eigentlich nicht machen soll und übers Wetter sprechen. Aber dieses Jahr stand sehr im Zeichen wetterbedingt abgesagter Veranstaltungen, von Rosenmontag über Tal toTal bis zum Münzlauf. Was bedeutet das aus ihrer Sicht für kommende Großveranstaltungen in der Region?
Risikofrei planen kann man es nie. Aber in diesem Jahr haben wir schon eine besondere Häufung. In meiner sechsjährigen Amtszeit als OB hat es noch nie eine Absage einer Großveranstaltung gegeben, in diesem Jahr gleich zwei mit dem Rosenmontagszug und dem Münzlauf. Das reicht mir jetzt. Auch für die Veranstalter ist das ein Riesenproblem, denn da geht es ja, wie bei Rock am Ring, um sehr viel Geld. Auch beim Münzlauf hat der Veranstalter einen Schaden von 350.000 Euro geltend gemacht. Das darf ihm nur einmal in zehn Jahren passieren. Auch insofern muss man weiter sehr sorgsam mit Absagen umgehen. Klar ist aber: Sicherheit geht immer vor.

Die Region lebt gerade in den Sommermonaten von diesen Veranstaltungen, vom “draußen sein”. Sehen Sie da eine Gefahr für die Attraktivität?
Ich bin vom Grundsatz her ein optimistischer Mensch. Nur weil einmal ein schlechtes Jahr war, jammere ich nicht, dass wir nun immer Pech haben werden. Gucken wir mal, wie “Rhein in Flammen” läuft. Das ist eine Veranstaltung mit fast 200.000 Leuten. Wenn die gut geht, haben wir wieder was gestemmt.

Dass Koblenz derzeit touristisch gut da steht, habe ich bei meinen Recherchen bereits gelesen. Im Gegensatz zu vielen Orten weiter südlich im Tal können Sie sich entspannt zurücklehnen, oder?
Nein, natürlich nicht. Wir werden in diesem Jahr wahrscheinlich so viele Übernachtungen wie im Bugajahr haben. Aber wir müssen weiterarbeiten. Wenn ich die Festung besuche, erlebe ich, welche Rolle die Seilbahn spielt. Das quillt da selbst an einem Werktag über vor Besuchern. Wenn wir die Seilbahn nicht hätten, würde die Festung wieder ein Schattendasein führen wie in den 90er Jahren. Deswegen muss die über 2026 erhalten bleiben. Das ist auch für das Projekt “Buga 2031” wichtig.

Koblenz hat von der Bundesgartenschau wahnsinnig profitiert. Glauben sie, dass man das ganze Tal genau so beleben kann wie die Stadt?
Nicht genauso. Aber anders. Man braucht dafür ein Konzept, das auf Nachhaltigkeit setzt. Natürlich muss ein halbes Jahr besonders was los sein. Aber es darf danach nicht zusammenbrechen. Für die Bevölkerung muss eine Weiterentwicklung spürbar sein. Das schließt Arbeitsplätze mit ein, aber auch eine Rheinquerung und vor allem: Schutz vor Lärm. Damit müssen wir bis zur Buga 2031 weiterkommen. Niemand will da wohnen, wo nachts die Wände wackeln und man kaum Ruhe findet. Wenn wir da nicht vorankommen, dann wird es für Orte wie St. Goarshausen oder Stolzenfels eine existenzielle Frage.

In 15 Jahren soll die Buga am Oberen Mittelrhein stattfinden.
In 15 Jahren soll die Buga am Oberen Mittelrhein stattfinden.

Buga 2031 ist ja noch ein bisschen hin: Welche Zwischenziele müssen erreicht werden, damit die Region entscheidend vorankommt?
Es werden schon in den nächsten ein bis zwei Jahren entscheidende Schritte zu gehen sein. Die Machbarkeitsstudie muss vorliegen. Wir brauchen flächendeckende Diskussionen in den Gemeinderäten, alle müssen zustimmen. Wir brauchen ein Infrastrukturprogramm. Wir müssen mit dem Land die Finanzierung aushandeln. Da ist also viel zu tun, damit der Antrag bis Ende nächsten Jahres gestellt werden kann. Und dann ist angesichts der großen Investitionen, die damit verbunden sein werden, ein Vorlauf von zehn Jahren gar nicht so groß. Und dann müssen wir den Erfolg einfahren.

Sie kennen das Tal ja sehr gut aus früheren Zeiten als Kulturstaatssekretär.
Ich kenne es und ich liebe es, nicht nur weil ich für das Anerkennungsverfahren zuständig war. Ich habe dort mehrere Wanderurlaube verbracht. Wenn sie mich nachts um halb drei wecken und sagen “Mittelrheintal”, dann bin ich sofort da. Ich fühle mich als Oberbürgermeister nicht als Kirchturmspolitiker für die Stadtgrenzen, sondern sehe die Verantwortung des Oberzentrums für die ganze Region.

Dann sagen Sie mal: Was läuft gut, was läuft nicht gut aus Ihrer Sicht?
Was gut läuft, ist ohne Frage der Wandertourismus. Rheinsteig und Rheinburgenweg sind sehr erfolgreich. Auch der Fahrradtourismus kommt voran. Ich sehe auch eine positive Entwicklung im Bereich Hotelerie und Gastronomie. Die ist noch nicht am Ende, aber sie ist positiv. Aber ich mache mir natürlich Sorgen, wenn ich sehe, wie so tolle Örtchen wie Sankt Goarshausen drohen auszubluten. Deswegen sage ich auch ganz freimütig: Wenn wir das Thema Brücke nicht hinkriegen, werden viele Ortschaften kaum eine Chance haben.

Sankt Goarshausen braucht weniger Züge und eine Brücke, sagt der Koblenzer OB.
Sankt Goarshausen braucht weniger Züge und eine Brücke, sagt der Koblenzer OB.

Glauben sie, dass man diesen Wandel aufhalten kann? Die Gesellschaft wird immer älter und junge Menschen zieht es eben in die Metropolregionen.
Das muss man differenziert sehen. Die demographische Entwicklung ist so wie sie ist. Aber in Koblenz haben wir trotz allem wachsende Bevölkerungszahlen und sind jetzt bei 113.000 Einwohnern.

Aber das sind doch auch Menschen, die vom Mittelrhein in die große Stadt ziehen.
Die Wanderungsgewinne, die wir im Moment machen, kommen nicht aus dem Umland, da haben wir eher Verluste. Arbeitsplätze, eine gute Infrastruktur bei Gesundheit und Bildung, das alles spricht natürlich für die Großstadt. Auf der anderen Seite ist der Wohnungsmarkt in einer Großstadt sehr angespannt. Zwar wohnen sie in Koblenz noch günstiger als etwa in Mainz, aber es wird teurer. Diejenigen, die bereit sind, etwas zu pendeln, können am Mittelrhein, im Westerwald oder in der Eifel erheblich günstiger wohnen. Da hängt es von Details ab: Gehe ich ins Mittelrheintal, wo es schön ist, aber laut? Oder gehe ich in den Westerwald, wo es ruhig und auch schön grün ist? Da gewinnt im Moment eher der Westerwald, um es mal auf die Faustformel zu bringen. Deswegen ist für mich der Bahnlärm ein ganz wesentlicher Störfaktor. Aber Chancen sehe ich.

Im zweiten Teil des Gesprächs geht es um die Akzeptanz des Welterbetitels, Unesco-Bürokratie und warum Koblenz wichtig für die Region ist. Es erscheint am kommenden Sonntag, 17. Juli. 

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