Es ist tatsächlich schon Halbzeit beim Burgenblogger 2016. Als ich vor drei Monaten anfing, galt mein erster Besuch dem Barcamp Tourismus in Boppard. Dort habe ich den Tourismusberater Alexander Schuler kennen gelernt. Nun habe ich mich wieder mit ihm unterhalten. Wir haben über die Perspektiven des Mittelrheins als Touristenregion gesprochen, wie man mit Schwächen umgeht; und was eine Buga 2031 der Region bringen kann.
Seit 25 Jahren hilft das Berliner Unternehmen BTE Regionen und Destinationen, Konzepte für Touristen zu entwickeln. Dazu gehören der Aufbau von Wanderwegenetzen, Gestaltung von Besucherzentren und Touristinformationen oder die Schaffung neuer Freizeitangebote. Zur Zeit berät BTE die Stadt Brandenburg an der Havel im Nach-Bugajahr. Auch in Rheinland-Pfalz ist das Unternehmen aktiv, zum Beispiel im Hunsrück und an der Mosel. Das Obere Mittelrheintal ist für Alexander Schuler allerdings Neuland gewesen. Er ist einer der Geschäftsführer des Unternehmens. Im Interview berichtet er, wie er die Region aus Sicht eines Tourismusexperten erlebt hat.
Herr Schuler, wir haben uns beim Barcamp Tourismus Ende April getroffen. Sie waren das erste Mal in der Region. Wie war Ihr Eindruck vom Mittelrheintal?
Ich war begeistert. Die Ausgangssituation ist für den Tourismus hervorragend. Es gibt das Wasser durch den Rhein, das zieht eigentlich immer. Es gibt die Hanglage, die viel Grün mit der Historie des Weinanbaus verbindet, was auch toll ist. Und dann hockt da auch noch auf jeder Bergspitze eine Burg, die für Touristen in Wert gesetzt werden kann.
Klingt nach einem Elfmeter, den man nur verwandeln muss. In der Außenwahrnehmung tut sich das Mittelrheintal dennoch oft schwer. Woran liegt das, wenn man trotz dieser tollen Ausgangslage nicht als touristische Top-Destination wahrgenommen wird?
Ich war jetzt nur diesen einen Tag auf dem Camp, deshalb will ich vorsichtig sein. Es gibt zwar die Ausgangssituation. Aber man muss auch was daraus machen. Die Burgen müssen erlebbar sein. Touristen wollen die nicht nur anschauen, sondern auch reingehen können. Es braucht entsprechend viele Hotels und Gastronomie in unterschiedlichen Kategorien. Und diese müssen Qualität bringen. Das ein oder andere Hotel habe ich kennengelernt. Die Ausgangssituation ist wieder super. Du blickst auf den Rhein, es sind familiengeführte Betriebe. Toll! Aber der Investitionsstau wird gleichzeitig deutlich, weil zum Teil in der Einrichtung über Jahre nichts passiert ist. Denn die Gäste, das war bei mir im Hotel auch so, die sind nicht 50 plus, die sind 60 plus. Und die werden natürlich irgendwann nicht mehr da sein. Da müssen neue Gäste nachkommen und die fühlen sich von diesem Stil nicht angesprochen.
Gut, das sagt sich jetzt leicht. Aber wie muss man heute aufgestellt sein, um an junge Gäste zu kommen?
Die Gäste, die jetzt da sind, die haben “ihr” Hotel irgendwann mal ausgewählt, oder es sind Reiseveranstalter, die das immer wieder aufsuchen. Junge Gäste reisen ganz anders. Die sind viel mehr in den Medien unterwegs und wechseln stärker ihre Reisegewohnheiten. Die kommen vielleicht nur einmal vorbei. Und dann muss das Hotel stimmig sein. Der Preis muss stimmen. Aber vor allem die Qualität muss stimmen. Die Bilder, die im Netz sind, sowohl auf der Homepage als auch auf den verschiedenen Vertriebskanälen, müssen attraktiv sein und wahrheitsgemäß das Innenleben widerspiegeln.
Welche Rolle spielen soziale Netzwerke?
Gäste geben in den verschiedenen Medien wie TripAdvisor, HRS natürlich Bewertungen ab. Und darauf achten neue Gäste viel stärker, wenn sie Reisen planen. Das Interesse ist geweckt, aber wenn vorherige Besucher das schlecht bewerten, dann fahre ich da nicht hin. Dann wähle ich das Hotel im Nachbarort oder sogar eine andere Destination. Dann fahre ich eben an die Mosel.
Es gibt hier viele Probleme, wie zum Beispiel den Bahnlärm oder die schwache Infrastruktur. Wie geht man mit diesen Schwächen um?
Ich persönlich habe das nicht so wahrgenommen. Ich bin mit dem Zug angereist, das war kein Problem. Vom Lärm habe ich nicht viel mitbekommen, auch wenn ich natürlich gesehen habe, dass auf der anderen Rheinseite viele Züge gefahren sind. Aber das Angebot war sonst so attraktiv, dass ich darüber hinweg gesehen habe.
Aber in der Außenwahrnehmung ist es ein Problem, auch wenn viele Hotels inzwischen ausgerüstet sind wie Flughafenhotels, um den Lärm abzuschirmen.
Ist das tatsächlich ein Problem, ist die Frage. Gäste, die jedes Jahr hinfahren, kennen das Problem, nehmen es aber nicht als Problem wahr. Klar, wenn die Bahnstrecken in der Presse grundsätzlich negativ diskutiert werden, unabhängig vom Tourismus, dann überlegen manche Leute schon: Fahre ich da hin? Aber es ist ein Problem auf ausgewählten Märkten. Wenn jemand aus Berlin oder Hamburg kommt, kennt er die Diskussion nicht, weil das bei ihm gar nicht thematisiert wird. Eher vielleicht im Rhein-Main-Gebiet. Und da muss ich dann auch mal aktiv werden und dagegenwirken. Zum Beispiel, indem ich in der PR Gästemeinungen herausstelle, die sagen: Ich war jetzt zum ersten Mal da, aber ich habe den Lärm gar nicht so wahrgenommen und ausgeblendet.
Am zeitlichen Horizont für das Mittelrheintal steht die Buga 2031. Wie wichtig sind solche Großprojekte, um eine Region voranzubringen?
Sie sind sehr wichtig aus mehreren Gründen. Sie verbessern erstens die Qualität und die Quantität des touristischen Angebots und bringen Investitionen. Das hat wirtschaftliche Effekte, bringt Arbeitsplätze und verbessert auch die Lebensqualität der Bürger. Im Falle einer Buga werden zum Beispiel auch Parks und Gärten angelegt. Das zweite ist: Gerade im Buga-Jahr hat die Region mehr Gäste. In 2015 war die Buga unter anderem in Brandenburg an der Havel. Die Zahlen des Statistischen Landesamts in Brandenburg zeigen: Die Stadt konnte gegenüber dem Vorjahr ein Plus von etwa 37 Prozent bei den gewerblichen Übernachtungen verzeichnen.
Aber ist man dort nicht hinter den Erwartungen geblieben?
Ja, das ist richtig. Die Veranstalter hatten sich insgesamt bei den Besucherzahlen mehr erhofft, um am Ende auf eine “Schwarze Null” zu kommen. Das hatte teilweise auch mit dem Wetter zu tun. Aber es lief immer noch besser als beispielsweise in Hamburg. Von daher sollte sich nicht nur an der Besucherzahl orientiert werden. Das wäre zu kurz gesprungen.
Wie hat die Region denn profitiert?
Brandenburg an der Havel hat wahnsinnig profitiert, unter anderem mit dem Plus bei den Übernachtungen. Das setzt sich fort. Im Jahr nach der Buga in 2016 erfährt die Region einen stärkeren Zuwachs bei den Buchungen als in den Jahren davor. Dadurch siedeln sich auch neue Betriebe an. In Brandenburg an der Havel war es zum Beispiel ein E-Bike-Unternehmen, die das jetzt auch im Jahr nach der Buga fortführen. Und dann führt eine Buga natürlich dazu, dass mehr Gäste auf eine Region aufmerksam werden. Viele kommen zur Buga, haben aber nur Zeit für die Veranstaltung und kommen dann noch mal wieder. Mit mehr Zeit für die Region. Das wirkt natürlich nicht ewig. Deswegen ist ein Großprojekt alle 10 bis 15 Jahre für eine Region sehr gut, um einen Impuls zu setzen.
Welche Risiken gibt es?
Es kann auch schiefgehen, denn wir haben es hier mit massiven Investitionen zu tun. In der Regel wird die Bilanz stark darauf ausgerichtet, die Kosten nur durch die Besucherzahlen wieder reinzubekommen. Die Wirkung ist aber vielschichtig und hat Effekte, die nicht immer direkt messbar sind. In Brandenburg ist es so, dass die Region ungefähr eine Stunde von Berlin mit dem Zug entfernt ist. Es gibt mittlerweile Berliner, die nach Brandenburg an der Havel ziehen und weiter in Berlin arbeiten, weil die Lebensqualität und das Image der Region so gut sind. Die Stadt war lange Industriestandort, jetzt ist es eine Touristenstadt am Wasser. Deshalb ziehen viele Menschen bewusst dahin und wollen dort ihren Lebensmittelpunkt haben. Das führt zu mehr Steuereinnahmen. So etwas wird nicht direkt mit der Buga in Verbindung gebracht. Aber die Buga hat diese Entwicklung mit befördert.
Kommentare sind geschlossen.