Eine neue Ausstellung auf der Festung Ehrenbreitstein zeigt Fotografien von Frank Kunert. Mit “Wunderland” entführt er in witzige, ironische, manchmal makabre Miniaturlandschaften. Für eins seiner Werke ließ sich der gebürtige Frankfurter von seiner Wahlheimat am Mittelrhein inspirieren. Grund genug für mich, mich mal mit Frank zu treffen.
Gerüche sind ja die stärksten Auslöser für Erinnerungen. Deswegen fällt mir sofort ein Lied der sensationell guten Hansen Band ein, als ich das Haus der Kulturgeschichte auf der Festung Ehrenbreitstein betrete: “Und hier in der Wohnung, es riecht noch nach Farbe, nach trostlosen Leben, endlosen Tagen…” Denn es riecht tatsächlich nach Farbe, dort wo Frank Kunert gerade in den letzten Vorbereitungen für seine Ausstellung “Wunderland” steckt. Was aber nicht an ihm liegt. Im Untergeschoss wird momentan renoviert, und der Geruch des frischen Anstrichs steigt nach oben. Aber auch sonst passt der Song ganz gut zu Franks Werken, die es hier seit Donnerstag, 15. Juli, zu sehen gibt.
“Trostlose Leben, endlose Tage” sind durchaus ein wiederkehrendes Thema in Franks Miniaturwelten, die er aus Leichtschaumplatten modelliert und dann fotografiert. 23 dieser Modelle sind in der Ausstellung zu sehen, deren Kern 77 Fotografien bilden. Gut drei Wochen sitzt Frank an so einem Modell, das er dann mit einer 4×5 Inch Großformatkamera auf Diafilm bannt. So entstehen verblüffend realistisch wirkende Szenarien. Viele Betrachter glauben tatsächlich, es handelt sich um Fotomontagen echter Landschaften, erzählt Frank mir bei unserem Gespräch. Dabei verzichtet er bis auf kleinere Korrekturen und Retusche auf digitale Nachbearbeitung. Auch Hintergründe wie Wolken oder Unterwasserwelten modelliert er selber und leuchtet sie entsprechend aus. So entsteht ein natürlicher Eindruck.
Geboren und aufgewachsen ist Frank in Frankfurt und im Rhein-Main-Gebiet. Das triste Großstadtleben ist ein häufiges Motiv in seinen Arbeiten. Karge Betonlandschaften erzählen kleine Geschichten von der Sehnsucht nach was Neuem. Etwa das Bild eines runtergekommenen Straßenkiosks, auf dessen Dach eine Luxusvilla thront: “Der Traum vom Glück”. Ironie, aber auch das Tragikomische, durchziehen die ganze Ausstellung. In allen Bildern gibt es mindestens eine zweite Ebene, die sich erst beim zweiten oder dritten Hingucken erschließt. Dazu kommt hier und da eine kräftige Prise schwarzer Humor, etwa im Bild “Das Leben geht weiter”, in dem ein Zeitungsabonnement über den Tod hinaus verlängert wird.
Inspiration bezieht Frank inzwischen auch aus seiner Wahlheimat am Mittelrhein. Seit sechs Jahren leben seine Frau Elizabeth Clarke und er in Boppard. Den Niedergang der einst prosperierenden Touristenregion verarbeitete Frank im Motiv “Hotel Bellevue” (das rein gar nichts mit dem sehr schönen Original in Boppard zu tun hat!). Es zeigt ein heruntergekommenes Hotel, das seine besten Jahre hinter sich hat. Während die Außenansicht trist und grau ist, erkennt man beim Blick ins Innere einen blauen Himmel. Der verbliebene Rest einer Erinnerung: “So schön war’s hier mal.”
“Mir begegnet hier oft das Marode. Viele Orte sind von der Vergangenheit eingeholt worden, die großen Zeiten sind vorbei”, beschreibt Frank den Ausgangspunkt seiner Arbeit. Nachdem die erste Idee geboren war, reiste er durchs Tal, und recherchierte vor Ort nach Details, die ins fertige Werk mit einflossen. Eine Tafel mit der Aufschrift “Hier liegen sie richtig” hat er genau so, wie sie jetzt im Modell zu sehen ist, in Kamp-Bornhofen gesehen. Herrliche Mittelrheinrealität: “Das fand ich perfekt. Sowas kann ich nicht besser machen”, sagt er. Symptomatisch für den Mittelrhein soll das Werk nicht sein. Schließlich ist das Paar bewusst nach Boppard gezogen, schätzen die Landschaft und die Region sehr.
Als Künstler würde Frank sich dennoch wünschen, dass die Mittelrheiner mehr Interesse an den Schätzen ihrer Heimat zeigen würden. Als Beispiel nennt er das seiner Ansicht nach zu wenig besuchte Museum Boppard mit den weltberühmten Arbeiten des Bopparder Schreiners und Designers Michael Thonet. Vielleicht ist ein erster Schritt in Richtung “mehr Kunstinteresse” für die Bopparder ja der Besuch von Franks Ausstellung in Koblenz. Ist ja immerhin ein Einwohner ihrer Stadt, der dort seine Arbeiten zeigt. Der Farbgeruch dürfte sich inzwischen jedenfalls verzogen haben.
Die Ausstellung “Wunderland” läuft noch bis zum 30. Oktober im Haus der Kulturgeschichte auf der Festung Ehrenbreitstein. Sie ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Mehr Infos zu Franks Arbeiten gibt es hier.
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