Einer meiner herbstlichen Streifzüge durch das Obere Mittelrheintal führte mich kürzlich ans Rheinufer zwischen Osterspai und Filsen sowie an den Aussichtspunkt Dreiburgenblick in Patersberg oberhalb von St. Goarshausen. Und ich hatte es bei meinem Facebook-Video vom Rheinufer bereits angesprochen: Das Schöne und das Hässliche liegen im Tal manchmal sehr nah beieinander. Vor allem in den vergangenen Wochen, wo wegen des Niedrigwassers eine Menge Unrat an die Oberfläche gelangt.
Die Weltmeere sind stark verschmutzt. Davon liest und hört man immer wieder. Vor der eigenen Tür sieht es aber leider nicht viel besser aus. Zwar sind hier nicht quadratkilometergroße Teppiche aus Plastikmüll zu finden, wie sie in den Meeren treiben sollen, aber es ist trotzdem wirklich erschreckend, was der Rhein gerade so alles preisgibt. Da liegen unzählige alte Reifen, Schuhe, Getränkedosen, große Stoff- und Plastikfetzen oder gar ein CD-Player im Wasser oder am Ufer. Einen ganzen Container könnte man wohl allein mit dem Unrat dieses einen Uferabschnitts zwischen Osterspai und Filsen füllen. Die größte Rheinschleife der Welt ist auch die dreckigste.
Wenn ich das so sehe, möchte ich eigentlich niemals wieder einen Fuß in den Rhein setzen. Egal, ob Analysen dem Rhein seit Jahren wieder eine gute Wasserqualität bescheinigen. Der Müll, der im Rhein treibt, zerlegt sich zum Teil in kleinere Teilchen, die dann wiederum von Organsimen aufgenommen werden und dort Probleme verursachen. Denn was für uns weniger offensichtlich als Altreifen im Rhein treibt, sind laut Naturschutzbund Deutschland (Nabu) beispielsweise Medikamentenreste oder Mikroplastik. Letzteres könnte durch den Nahrungskreislauf sogar in den menschlichen Körper gelangen: Organismen vertilgen Mikroplastik, Fische fressen Organismen, Menschen braten Fische.
https://www.facebook.com/burgenblogger/videos/267227657313330/
Sofern Angler am Rhein denn überhaupt einen Fisch aus dem Wasser ziehen. Denn nicht selten soll es auch vorkommen, dass statt Hecht oder Brasse ein alter Stofffetzen oder anderer Unrat am Haken hängt. Verfängt sich dieser an einem größeren Gegenstand, wie beispielsweise einem Fahrrad oder einen Einkaufswagen, reißt der Haken gleich ganz ab. Und dann treibt auch noch ein spitzer Angelhaken im Rhein. Gefährlich für Mensch und Tier.
Wieso aber beseitigt niemand den Müll, jetzt, wo er durch den niedrigen Rheinpegel leichter zu bergen wäre? Nun, es scheint da Uneinigkeit bei der Zuständigkeit zu geben. Dabei ist die Lage doch eigentlich klar: Der Rhein ist eine Bundeswasserstraße, zuständig ist damit die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, kurz WSV. Und speziell im Oberen Mittelrheintal ist das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA) Bingen zuständig. Dort habe ich also mal nachgefragt. Hier die Antwort von Florian Krekel (Sachbereichsleiter 3, Wasserstraßenüberwachung, Gewässerkunde, Vermessung, Liegenschaften, Schifffahrt):
„Die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) ist grundsätzlich nicht dafür zuständig, Abfälle einzusammeln und zu entsorgen, die sich im Bereich von Bundeswasserstraßen auf Wasser- und Landflächen befinden, und zwar aus folgendem Grund:
Nach der geltenden Rechtslage gemäß § 7 Abs. 2 und § 15 Abs. 1 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) sind Abfallerzeuger und Abfallbesitzer zur Verwertung bzw. Beseitigung von Abfällen verpflichtet.
Als Erzeugerin des auf die Uferflächen des Rheins gelangten Abfalls kommt die WSV nicht in Betracht. Um Besitzerin des Abfalls zu sein, müsste sie gemäß § 3 Abs. 9 KrWG ein Mindestmaß an tatsächlicher Sachherrschaft über die Abfälle auf den Ufer- und Wasserflächen haben. Das Mindestmaß an tatsächlicher Sachherrschaft ist aber trotz der Eigentümerstellung der WSV nicht gegeben, da für die Ufer- und Gewässergrundstücke auf freier Strecke ein allgemeines Betretungsrecht besteht, das nicht im Rahmen der Widmung gewährt wird und nicht Teil der zugewiesenen Verwaltungsaufgabe der WSV ist.
Die WSV kann diese Flächen widmungsunabhängig dem allgemeinen Zugang nicht entziehen. Hinsichtlich des angefallenen ,aufgedrängten‘ Abfalls entsteht also für den Bund als Grundstückseigentümer kein Abfallbesitz mit den daraus folgenden Pflichten. Mit der Belastung des Grundstückseigentümers durch das allgemeine Betretungsrecht geht einher, dass die Folgen ,wilder‘ Abfallablagerungen nicht von der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung zu tragen sind.
Anders verhält es sich bei größeren Gegenständen, die unter Umständen zu einer Gefahr für den Schiffsverkehr werden könnten. Derartige Objekte beseitigt die WSV – nicht weil es sich um Müll handelt, sondern weil sie zum Schifffahrtshindernis werden könnten.
Hinsichtlich des leider am Rheinufer in bedauerlichen Mengen liegenden Abfalls ist die WSV weder verpflichtet, noch wäre sie personell in der Lage, diesen einzusammeln.
Ob es überhaupt einen „Zuständigen“ für das Einsammeln der Abfälle gibt, kann ich Ihnen nicht beantworten, denn mir ist keine Rechtsgrundlage bekannt, nach der eine generelle rechtliche Verpflichtung zum Einsammeln von Abfällen bestünde.“
Zusammengefasst: Die WSV ist nicht für die Beseitigung des Mülls verantwortlich, es sei denn, die Gegenstände sind so groß, dass sie eine Gefahr für Schiffe darstellen könnten. Auch personell wäre die WSV gar nicht in der Lage, den Rhein und das Rheinufer vom Müll zu befreien.
Um dem Abfall Herr zu werden, fand Mitte September der erste „Rhine Cleanup Day“ statt. Ein Düsseldorfer Verein hatte dazu aufgerufen, den Rhein von der Quelle bis zur Mündung von Abfall zu befreien. Ich war bei der Aktion in Bacharach dabei und damit einer von rund 10.000 Freiwilligen in 59 Städten, die dem Aufruf gefolgt sind. Osterspai und Filsen haben sich nicht an der Aktion beteiligt. Vielleicht sähe es dort am Ufer sonst jetzt besser aus. Das soll aber nun kein Vorwurf sein.
Denn ja, richtig gehört: Es waren Freiwillige, die fleißig Müll gesammelt haben. Manchmal denke ich, ohne Ehrenamtliche läuft in diesem Land fast gar nichts mehr. Dieser Gedanke schoss mir in den vergangenen drei Jahren, seit ich als Journalist arbeite und vor allem viel mit Menschen im ländlichen Raum zu tun habe, immer mal wieder durch den Kopf. Und immer wieder wurde mir das auch bestätigt. Vor allem bei der Unterstützung von Geflüchteten in Deutschland. Aber eben auch bei der Saubermachaktion am Rhein.
Der Müll am Rheinufer zwischen Osterspai und Filsen wird also vermutlich liegen bleiben. Wenn man einfach abwartet, bis der Pegel wieder steigt, verschwindet all das wieder in den Fluten. Der Rhein gibt es, der Rhein nimmt es. Und spült den ganzen Unrat am Ende wohin? Genau, ins Meer. Aus den Augen, aus dem Sinn.
Und hier sind die Fotos zum Durchklicken:
5 Kommentare
Ich beobachte gleichfalls, dass zunehmend vieles auf Ehrenämtler*innen abgewälzt wird. Keine gute Entwicklung. Andererseits stammt der Müll ja auch von unseren Mitmenschen und insofern finde ich es gut, dass sich Privatleute zum Sammeln entschließen.
In meiner Heimatstadt gab es so etwas auch schon, teilweise von Geo-Cachern. Entsorgt hat den Müll der örtliche Bauhof.
Wir sind seit 6 Wochen mit einem Camper in Australien und Tasmanien unterwegs. Hier wird mir so richtig bewusst, wie viel Plastikmüll aufkommen kann. Da man in den Nationalparks seinen Abfall selbst wieder mitnehmen muss, schockt es mich, was sich bei nur 2 Personen in 2-3 Tagen ansammelt. Alleine die vielen PET Flaschen…. Zuhause habe ich mehr Einfluss darauf. Fleisch wird beim Bauern gekauft, Mineralwasser in Glasflaschen, Gemüse nicht verpackt. Da kommen wir in 14 Tagen auf einen halben gelben Sack, hier wäre der ganze Sack in 3 Tagen voll….
Ich wäre bei einer erneuten Aktion auch wieder dabei!
So sind die Menschen ab in den Rhein und dann ins Meer. Früher war der Rhein eine Kloake und Heute ??ß Rolf Bröder
Lieber Christoph Bröder,
das Thema ist wohl so alt wie der Rhein. Früher wurden alle Abwässer, die Kloaken eingeleitet, das hat irgendwann zu der überraschenden Erkenntnis und Umsetzung geführt, das die Kläranlagen gebaut wurden und der Rhein sauberer wurde.
Herr Krekel hat typisch amtsdeutsch mit Scheuklappen geantwortet.
Gegenfrage:
Warum wird entlang der Autobahnen von den Autobahnmeistereien immer wieder mal eine Seitenstreifen-Müll-Entsorgung durchgeführt? Da ist der gleiche Gesetzestext maßgebend. Es gibt auch im Beamtentum ein Zauberwort: Ermessensspielraum… dafür wären bei dem Niedrigwasser sicher in einmaligem Einsatz ganze Rhreinkilometer von Wasserwirtschaftsamt zu Wasserwirtschaftsamt zu entmüllen. Es sei denn, es ist nicht gewollt… Wer will findet Wege…
Machen wir noch einmal an dieser Stelle eine gemeinsame Aktion? Ich bin dabei auch wenn wir die Fähre benutzen müssen!
Dankeschön, da haben Sie wieder mal den Finger in die Wunde gelegt. Das gefällt mir so an Ihren Reportagen, das Schöne u n d (mutig) auch das Häßliche zeigen. Nur so ist Veränderung möglich!