Freifunk Oberwesel bringt freies W-Lan an den Mittelrhein

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Franziskus Weinert (29) ist der Macher von "Freifunk Oberwesel". (alle Bilder: Moritz Meyer)

Einer meiner ersten Ausfahrten als Burgenblogger führt mich nach Oberwesel. Zum einen brauche ich einen frischen Notizblock für mein Burgenblogger-Handtäschchen. Zum anderen bin ich während meiner Recherchen im Vorfeld auf eine spannende Initiative gestoßen. “Freifunk Oberwesel” will Bürgern und Touristen in dem kleinen Städtchen kostenloses Internet ermöglichen. Wie praktisch, dass ich sowohl meinen Block als auch Infos zum Freifunkprojekt im gleichen Laden bekomme. Auf zu Schreib- und Spielwaren Hermann.

Als ich das Traditionsgeschäft – den Laden gibt es schon seit 1899(!) – betrete, telefoniert Inhaber Franziskus Weinert gerade mit einem Vertreter der örtlichen Volksbank, die er als Unterstützer seines Freifunk-Projekts gewinnen will. Die schlechten mobilen Internetverbindungen sind ja leider zu einem negativen Markenzeichen des Mittelrheintals geworden. Franziskus Weinert will das ändern und geht dafür eifrig Klinken putzen. Zwei bis drei Termine die Woche habe er für sein Projekt.

Vor ein paar Monaten startete Freifunk Oberwesel, es gab damals auch einen Bericht in der Rhein-Zeitung (Achtung: Paywall!). Inzwischen stehen gut zwei Dutzend Router an verschiedenen Punkten in der Stadt. Der Marktplatz sei inzwischen versorgt, sagt Weinert. Auch an der Jugendherberge hat man ein stabiles Netz; die Kids dort wird es freuen. Ziel sei es, den ganzen Ortskern von Bahnhof bis Krankenhaus zu versorgen. Dafür seien ca. 50 bis 70 kleine Router nötig, schätzt der 29-Jährige. Einfacher wäre es mit größeren Routern, die auch im Freien angebracht werden können. Da hofft Weinert noch auf weitere Sponsoren.

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W-Lan auf der Stadtmauer: In Oberwesel funktioniert es mit „freifunk-myk.de“.

Jetzt will ich das Netz selber ausprobieren und mache mich auf den Weg Richtung Oberweseler Marktplatz. Das Einloggen ins W-Lan ist einfach. Einfach “freifunk-myk.de”  im W-Lan-Menü auswählen und los geht’s. Keine Registrierung, keine AGB’s, einfach lossurfen. Das funktioniert deshalb, weil die Freifunk-Netzwerke komplett anonymisiert sind. Alle Nutzer greifen über die gleiche IP-Adresse zu und können nicht zurückverfolgt werden.

(edit: genauere Erklärung in diesem Kommentar)

Aus diesem Grund spielt auch die Störerhaftung keine Rolle. Aber die soll ja jetzt ohnehin entfallen. Mitten auf dem Oberweseler Marktplatz funktioniert das jedenfalls wunderbar. Ein Bild per What’s App zu verschicken ist kein Problem. Im 15 Meter entfernten Café wird es schon schwieriger, die Verbindung bricht immer wieder ab. Laut Weinert soll das Netz bis hoch auf die Stadtmauer reichen, auch das will ich prüfen. Tatsächlich. Es reicht grad so. Mit meinem eigenen Galaxy S7 komme ich ins Netz, mit dem Burgenblogger-iPhone (ein iPhone 5) klappt es nicht. Vielleicht wird es nach dem kommenden Pfingstwochenende besser. Zum “Mittelalterlichen Spektakulum” in Oberwesel will Weinert noch mal aufrüsten: “Ich hab noch was in petto”, kündigt er an.

Aber auch andere Städte am Mittelrhein wollen Freifunk anbieten. Nach dem ersten Bericht in der RZ hätten sich  einige Gemeinden bei ihm gemeldet, die wissen wollten, wie man ein eigenes Freifunk-Netz aufbaut, berichtet Weinert. In den kommenden Tagen schaue ich immer wieder auf mein Smartphone, ob mir ein Freifunk-Netzwerk angezeigt wird. Tatsächlich: In Bacharach etwa bekomme ich hier und da Zugang zum Netzwerk “Freifunk Bingen”. An den meisten Orten sieht es aber noch mau aus. Ich denke: Mehr Hotpsots würden dem Mittelrhein gut tun. Nicht nur, weil ich dann als Burgenblogger leichter von unterwegs berichten kann. Gerade für junge Menschen ist Internet überall einfach von entscheidender Bedeutung. Ob sie nun hier leben oder zu Gast sind: Sie wollen immer online sein. Und wer als Jugendlicher heutzutage gelernt hat: Am Mittelrhein gibt’s kein Internet, der kommt auch als Erwachsener nicht wieder. Je mehr freies W-Lan es im Tal gibt, umso attraktiver wird die Region.

Ich werde übrigens zum Thema “Digitale Heimat” auf dem Open Ohr-Festival in Mainz an einer Podiumsdiskussion teilnehmen. Dabei geht es um Freifunk, aber auch darum, wie das Internet unseren Heimatbegriff verändert. Deswegen freue ich mich über Kommentare dazu: Wie zufrieden seid ihr mit der Internetanbindung am Mittelrhein? Wünscht ihr euch mehr Freifunk-Netzwerke wie in Oberwesel? Welche Rolle spielt das Internet für eure Heimatverbundenheit? Schaut euch dieses Video an, wenn ihr mehr wissen wollt.

2 Kommentare

  • Moritz Meyer says:

    Danke für die genaue Erklärung.

  • Enavigo says:

    Super dass hier ein Thema aufgegriffen wird, welches aufzeigt wie „altes“ Ehrenamt und „neue“ Technologien unter einen Hut zu bringen sind. Denn was hier ehrenamtliche Eigeninitiative in Oberwesel schafft, dies ist ein schönes Beispiel.
    Leider ist Deutschland bei freiem Internet auf öffentlichen Plätzen und in öffentlichen Gebäuden immer noch ein Entwicklungsland. Und der gestrige „hochgejubelte Quantensprung“ im Bezug auf die Abschaffung der Störerhaftung macht letztendlich auch nur Sinn, wenn dadurch wirklich dem „Abmahnwahnsinn“ das Handwerk gelegt wird. Und ob dies wirklich geschieht, dies wird erst der genaue Gesetzestext zeigen.
    Aber auf „die Politik“ zu warten macht hier ohnehin wenig Sinn. Im neuen Koalitionsvertrag verspricht die neue RLP-Regierung 1000 neue Wlan Hotspots in den nächsten 5 Jahren. Eine Zahl über die die Freifunkcomunities nur müde lächeln. Allein Mainz hat schon über 450 Freifunk Knoten, und Freifunk Westpfalz (Kirchheimbolanden) nähert sich der 700 er Marke an.

    Wenn nun auch am Mittelrhein immer mehr Geschäftsleute und Bürger merken, Freifunk ist mehr als ein Anziehungspunkt für junge Menschen, dann könnte sich hier wirklich eine „Freifunkregion Mittelrhein“ entwickeln. Und dies zum Wohl des Wirtschaftsfaktors „Tourismus“ – und davon lebt nun mal die Region. Auch in Zukunft.
    Mal sehen ob hier der Burgenblogger „mehr Zukunft“ ins Tal bringen kann. ;-)