Vom Hin und Her am Tor zum Tal

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Bingen – Rüdesheim

Rüdesheim – Bingen

Bingen – Rüdesheim

Rüdesheim – Bingen

Mit der Fähre zu fahren, ist für mich noch immer etwas Besonderes. Auch nach drei Monaten Burgenblog und einigen verfahrenen Zehnerkarten. Aber wird das nicht irgendwann mal langweilig, immer an derselben Stelle den Rhein zu queren? Das habe ich mich schon häufiger gefragt, beim Blick hoch ins Führerhaus des Fährkapitäns.

Dann kam Anja Maschitzki auf mich zu. Anja arbeitet für das Unternehmen Bingen-Rüdesheimer, das unter anderem den Fährbetrieb zwischen den beiden Rheinstädten gewährleistet. Sie fragte per E-Mail an, ob sie irgendetwas für mich tun könne. Da witterte ich meine Chance. Ich wollte schon längst mal eine Geschichte mit einem Fährkapitän machen, schrieb ich ihr. Kein Problem, antwortete sie. Einige Wochen später sitze ich in der Kommandozentrale der Fähre „Mary Roos“. Und mit mir Karl-Heinz Kraus, ihr Kapitän.

Der 59-jährige Ranseler bringt seit 19 Jahren Mensch und Maschine über den Rhein. Neun Stunden am Tag, sechs Tage die Woche. Und ich frage ihn: „Wird das nicht irgendwann mal langweilig?“

„Das dachte ich anfangs auch, aber jede Fährfahrt ist anders“, sagt Kraus. In den folgenden Stunden werde ich verstehen, wie er das meint.

Karl-Heinz Kraus strahlt eine ungeheure Ruhe aus. Wohl nicht die schlechteste Eigenschaft, um täglich bis zu 80 Tonnen über den Rhein zu manövrieren. Allein mit dem Anlegen der Fähre hapert‘s noch ein bisschen. Die „Mary Roos“ hat neue Joysticks zum Steuern eingebaut bekommen. Die reagieren anders als die alten. Daran muss sich Kraus erst noch gewöhnen. Deshalb ruckelt‘s schon mal ein bisschen mehr am Anleger als gewöhnlich.

Kraus war nicht immer Fährkapitän. Eigentlich ist er gelernter Maler und Lackierer. Nachdem er sich beim Fußball jedoch einen Bänderriss zugezogen hat, kann der diesem Beruf nicht mehr nachgehen. Durch seinen Onkel, der ebenfalls auf einer Fähre arbeitete, entdeckt er schließlich den Fluss für sich. Mittlerweile ist das fast so etwas wie ein Familienbetrieb. Kraus Tochter arbeitet im Büro bei Bingen-Rüdesheimer. Sein Schwiegersohn fährt ebenfalls Fähre.

Die Schiffe auf dem Rhein hat Kraus immer im Blick. Mit seinen Augen und auf dem Radar. „Den da schaff ich nicht mehr, dafür reicht der Schwung nicht aus. Da müsste ich die Maschine jetzt zu sehr quälen“, erklärt Kraus und zeigt auf ein nahendes Güterschiff. Berg- und Talfahrt haben auf dem Rhein immer Vorfahrt. Die Fähre, die den Strom quert, muss warten.

Dann stelle ich die Frage, die wohl die meisten Journalisten in solchen Situationen gern mal stellen: „Was war das Verrückteste, das Sie in all den Jahren auf der Fähre erlebt haben?“

Karl-Heinz Kraus lacht. Da gäbe es Dinge, die gehören nicht in eine solche Geschichte, sagt er. Aber auch anderes, an das er sich mit einem Schmunzeln gern erinnert. „Einmal ist eine Frau nackt über die Fähre gelaufen“, erzählt Kraus und lacht. Es sei auch schon mehrfach vorgekommen, dass Gäste Sex auf der Fähre hatten. Sowohl im eigenen Auto als auch im Fahrgastraum. Zu jeder Tageszeit. Auch ein Spezialeinsatzkommando der Polizei sei schon an Bord gewesen, um Männer zu verhaften, die Waffen im Kofferraum hatten.

Ich staune nicht schlecht. Wird wohl wirklich nicht langweilig auf dem Rhein.

Und dann erinnere ich mich an eine Frage, die ich mir vor einiger Zeit am Ufer in Niederheimbach gestellt habe, als ich dort die Fähre einige Zeit lang beobachtet hatte: „Gibt es eine Situation, bei der Sie auch außerhalb der Fahrplanzeiten den Rhein überqueren?“

„Ja, das kann vorkommen“, sagt Kraus, „beispielsweise bei einem Notfall oder wenn eine schwangere Frau an Bord ist.“ Auch Notarzt und Rettungswagen nutzen in seltenen Fällen die Fähren. „Die Zentrale ruft mich dann vorher an, wenn der Notarzt im Anmarsch ist“, erklärt Kraus. So kann er sich darauf vorbereiten. In dem Fall zahlen Notarzt oder Rettungswagen nicht für die Überfahrt. Sind sie nicht im Einsatz, werden sie behandelt wie andere Passagiere auch.

Und wie steht Kraus eigentlich zur Mittelrheinbrücke? Oder, alternativ, zu einem 24-Stunden-Fährbetrieb im Oberen Mittelrheintal?

„Ich bin gegen die Brücke. Nicht aber, weil ich Angst um meinen Job habe. Das kann mir egal sein, bis die gebaut wäre, bin ich sowieso im Ruhestand. Ich finde, eine Brücke würde die schöne Landschaft des Tals verschandeln“, sagt der 59-Jährige. Auch für einen 24-Stunden-Fährbetrieb sieht er keine Notwendigkeit. „Wegen den ein bis zwei Leuten, die das vielleicht nutzen, lohnt es nicht, sich die Nacht um die Ohren zu schlagen“, erklärt er.

An diesem Tag endet seine Schicht immerhin auch erst um 23.30 Uhr. Wo ist denn da Zeit fürs Abendessen, frage ich mich. Und gebe die Frage an Karl-Heinz Kraus weiter. „Das ist hier kein Problem“, sagt Kraus, „manchmal bestellen wir Pizza, manchmal bringen wir uns was mit. Und manchmal grillen wir sogar an Bord.“ Verhungern würden sie auf der Fähre nicht, sagt Kraus und lacht.

Bevor ich von Bord gehe, lädt Karl-Heinz Kraus mich noch auf ein Eis ein. Das lässt er von seinem Kollegen beim Eismann kaufen, der mit seinem Kühltransporter von Rüdesheim nach Bingen übersetzt. Ich hab wieder Land unter den Füßen. Für Karl-Heinz Kraus aber geht es noch ein bisschen weiter.

Bingen – Rüdesheim

Rüdesheim – Bingen

Bingen – Rüdesheim

Rüdesheim – Bingen

 

Und hier die Fotos zum Durchklicken:

5 Kommentare

  • Karl says:

    Wenn man die jetzige Situation beibehalten wollte, benötigte man mindestens 3 Brücken: Boppard, St. Goar, Bingen. Heute kann man z. Bsp. noch von Filsen mit der Fähre recht problemlos das Krankenhaus in Boppard erreichen. In Zukunft wird dazu dann aufgrund der Mittelrheinbrücke ein Auto und eine längere Anfahrt (von Filsen über Koblenz oder Wellmich) erforderlich sein. Die Mittelrheinbrücke mag zwar einige Probleme lösen, sie schaftt aber auch ganz viele Neue. Und diese werden von den Brückenbefürwortern anscheinend ausgeblendet.

  • Otto Schamari St.Goarshausen says:

    Die Entwicklungsagentur Rheinlandpfalz(desses Vorstand Herr Rainer Zeimetz) verfolgt Fragen des Zusammenlebens in Dörfer und Städten im Land.
    Quelle.https://www.bundesstiftung-baukultur.de/netzwerkeintrag/entwicklungsagentur-rheinland-pfalz-ev

    Herr Zeimetz, das Zusammenleben der Menschen in den Städten am Mittelrhein mit den gegenüberliegen Rheinstädten interessiert Sie wohl nicht? So wie ab 1. Oktober im Winter
    die Fähre nur bis 21 Uhr verkehrt. Bis geplante Mittelrheinbrücke kommt, sollten Sie sich um eine verlängerte Fährzeit hier in St.Goar kümmern, damit das Zusammenleben der Menschen am Rhein funktioniert.Auch dafür ist die Entwicklungsagentur gegründet worden.
    Otto Schamari
    St.Goarshausen

  • Klaus Thomas says:

    „Ich bin gegen die Mittelrheinbrücke, weil sie nicht ins Tal passt.“ sagt Kapitän Kraus auf der Bingen-Rüdesheimer Fähre. Angst um seinen Job hat er nicht mehr, weil er dann im Ruhestand ist. Die Brücke am Mittelrhein kann demnach auch den Verlust von Jobs in Rüdesheim bedeuten? Ja, das ist so: Mit einer Mittelrheinbrücke sind alle Arbeitsplätze auf den Fähren weg. Die Betriebe müssen aufgeben, weil die Wirtschaftlichkeit aufgrund der Einnahmeverluste aus dem Kfz-Übersetzverkehr zwischen 20% und 100% nicht mehr gegeben ist. Die Folgen daraus sind es, warum eine Brücke nicht ins Mittelrheintal passt: Die Menschen kommen dann nur noch an einer einzigen Stelle, der Brücke bei Fellen/Wellmich, über den Mittelrhein, also nur noch dann, wenn sie ausreichend motorisiert sind. Wer das nicht ist, bleibt zukünftig auf „seiner“ Rheinseite. Schüler kommen nicht zur Schule auf der anderen Rheinseite, Arztbesuche, Krankenhausauswahl sind nicht mehr möglich, die schwangere Frau an Bord gibt es nicht mehr, sie bleibt auf „Ihrer“ Seite, Wandertouristen müssen auf der einmal ausgewählen Rheinseite bleiben, der Straßenverkehr steigt erheblich an usw. Die Landesregierung ist informiert. Dringend erforderlich ist also die Verbesserung der Rheinquerungssituation für alle Menschen hier. Reduzierung der Tarife und Verlängerung der Fährzeiten verbessern die Situation sofort und nachhaltig. Es gibt zwei Beschlüsse der Landkreise Rhein-Hunsrück und Rhein-Lahn zur Verlängerung der Fährzeiten. Das war es aber auch schon. Nichts bewegt sich. Lieber Burgenblogger, warum fassen Sie da nicht mal nach? Wenn das erreicht würde, dann könnten Sie viele schöne Bilder von glücklichen Menschen veröffentlichen.
    Klaus Thomas
    Bürgerinitiative Rheinpassagen

  • elkegreiffgossen says:

    BI-Rheinpassagen fordert den Optimierten Fährbetrieb zum Nulltarif. Doch die Landesregierung unternimmt rein gar nichts, um die Querungsmöglichkeiten über den Rhein sofort zu verbessern. https://www.youtube.com/watch?v=b8m2tmHFu88&t

  • Otto Schamari St.Goarshausen says:

    Der VCD LandesverbandRheinland-Pfalz und die Bürgerinitiative RHEINPASSAGEN setzen sich aktiv gegen einen Plan einer Mittelrheinbrücke ein., denn die Fähren sind das Rückgrat des Verkehrs im Mittelrheintal.Wir fordern daher den Erhalt der Fähren und deren Ausbau.

    Die Fahrbetreiber der Fähren in Boppard, St.Goarshausen, Kaub und Lorch haben der rheinlandpfäzischen Landesregierung schriftlich mitgeteilt, dass sie mit der Inbetriebgnahme der
    neuen Brücke ihren Fährbetrieb wegen Unwirtschaftlichkeit einstellen.
    Dies und mehr können Sie den beigefügten Webseiten entnehmen.
    Otto Schamari
    St.Goarshausen
    https://rlp.vcd.org/themen/tourismus/news/mittelrheinfaehren-rheinpassagen-mittelrheinbruecke/

    http://www.rheinpassagen.de/