Studieren Sie das Welterbe!

von
Jutta Reiss mit ihrer Skulptur Agnes

Am Sonntag ist Welterbetag. Dafür hat eine Künstlerin ihre Skulpturen auf eine Burg im Fluss verfrachtet. Ich war dabei und traf einen jungen Mann, der in Welterbestudien sogar einen Abschluss hat

Die Pfalzgrafenstein, die kennt jeder von der Postkarte. Es ist die alte Zollburg, die mitten im Rhein liegt. Bei Hochwasser unerreichbar. Dieses Jahr wird zum ersten Mal der Welterbetag auch hier begangen. Eine Künstlerin stellt ihre Skulpturen in dem alten Gemäuer aus. Und wenn am Sonntag im ganzen Mittelrheintal überall Veranstaltungen stattfinden, wird Fährmann Kimpel gut zu tun haben, die Besucher auf die kleine Insel überzusetzen. Wenn man einmal da ist, sitzt man in der Patsche: Hier gibt es kein Internet und keine Toiletten. Aber dafür jetzt tolle Kunst.

Weltecke studiert Welterbe - und packt mit an beim Ausstellungsaufbau der Skulpturen von Jutta Reiss
Weltecke studiert Welterbe – und packt mit an beim Ausstellungsaufbau der Skulpturen von Jutta Reiss

Ich bin heute mit zwei Menschen hier verabredet. Eingeladen hat mich Christian Weltecke, der gerade bei der Generaldirektion Kulturelles Erbe ein wissenschaftliches Volontariat macht. Wenn man Christian Weltecke eine Nachricht schreiben will, schlägt die Autokorrektur „Welterbe“ als Nachnamen vor. Das findet er lustig und auch ganz passend. Denn er hat es ja studiert, das Welterbe. In Cottbus gibt es einen eigenen Studiengang zu diesem Thema. Den hat der 29-jährige Berliner abgeschlossen, jetzt wohnt er in Koblenz. Er mag die Art der Leute hier im Mittelrheintal. Auch wenn er lachend sagt: „Das Beste an Koblenz? Köln und Bonn sind nah dran…“

Jutta Reiss mit ihrer Skulptur Agnes

In seinem Studium, erzählt Weltecke, hat er stundenlang über so Sachen wie community involvement diskutiert. „Jetzt merke ich, was das praktisch heißt“, sagt er. In nur wenigen Wochen hat er die Ausstellung für den Welterbetag auf der Pfalzgrafenstein konzipiert. „Hingehen, reden und machen“, das ist jetzt sein Alltag. Mit dieser Art hat er auch die Künstlerin Jutta Reiss begeistert. Die beiden müssen gerade noch schnell den Kooperationsvertrag unterschreiben, als sie sich auf der Insel begegnen.

Jutta Reiss ist eine kleine Kraftperson. Sie trägt rote Turnschuhe, ansonsten schwarz. Auf ihrer Kapuzenjacke sind ihre Initialen eingestickt. „Ich will dieses Gemäuer beleben“, ruft sie, als sie auf den Flusskieseln vor der Zollburg steht. Mit einem voll beladenen Anhänger ist sie gerade mit der Fähre übergesetzt auf die Insel. Gar nicht so leicht, ihre sperrigen Skulpturen zu verschiffen. Fragile Fracht. Wir heben die Agnes auf die Burg, wir wuchten den Eberhard die Leiter hoch. Reiss nennt ihre Skulpturen beim Vornamen, als wären sie alte Bekannte.

„Kunst ist ein dienendes Gewerbe“, findet Jutta Reiss. Die Künstlerin aus Mainz stammt aus einer Metzgerfamilie. Früher hat sie mal Wirtschaftsinformatik studiert. Doch seit sie einst einen kleinen Engel aus Ton für die Schwiegermutter formte, will die Bildhauerin nichts anderes mehr als Form geben. Ihre Figuren aus Draht und Kunststoff scheinen den Betrachter direkt anzuspringen. Die Werke von Jutta Reiss begegnen einem im ganzen Mittelrheintal, zum Beispiel am Aussichtspunkt in Maria Ruh. Jetzt sind sie ab Sonntag auf der Pfalzgrafenstein zu bestaunen.

Wer noch mehr über die an der Lahn lebende Künstlerin Jutta Reiss wissen will, dem sei dieses Video von ihrer Homepage empfohlen. Achtung: Ab Minute 6 läuft ein weißes Pferd vor einem Kruzifix herum.

Und hier kann man die Programmübersicht für den Welterbetag im Mittelrheintal runterladen. Viel Spaß!

2 Kommentare

  • Danke, ich hätte sonst nicht gewusst, dass am Sonntag Welterbetag ist. Hier ein Tipp für Unkel, das liegt zwar knapp neben dem Weltkulturerbeteil des Tals, ist aber garantiert Mittelrhein und schön. Hier können Sie 50 Meter entfernt von der Rheinpromenade im Willy Brandt-Forum die Kunstaktion „Anatomie des Aufrechten Gangs“ des Malers Klaus Hopf besichtigen. Ich freue mich auf die Besucher.

  • Frauen_vor_Flusslandschaft says:

    Danke für die vielen Infos – und weiter so! :-)