„Machbare Lösungen, statt Utopien“: MdB Carina Konrad im Interview

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Carina Konrad, FDP-Politikerin und Mitglied des Bundestages, bat mich vor einigen Wochen um ein Treffen auf der Burg. Als Bundestagsabgeordnete gehören auch Teile des Mittelrheintals zum Wahlkreis der Hunsrückerin. „Die Zukunft gehört denen, die etwas tun“, lautet der Leitspruch auf ihrer Website. Zu ihren Kernthemen gehören Landwirtschaft und Weinbau, Digitalisierung und Familie. Konrad selbst ist verheiratet und dreifache Mutter. Sie bewirtschaftet bis heute mit ihrer Familie einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Ackerbau und Viehzucht im Hunsrück. Vor dem Treffen hatte ich via Facebook dazu aufgerufen, mir eure Fragen an Carina Konrad zu schicken. Denn ihr wisst besser, wo es im Tal derzeit hakt. Ich maße mir nach zwei Wochen auf Burg Sooneck noch nicht an, das beurteilen zu können. Eure Fragen habe ich ihr dann natürlich auch gestellt. Und auch noch ein paar mehr.

Franz-Josef Scholl fragt: Wann gibt es endlich noch mehr politische Bemühungen zur Verminderung des zerstörerischen Bahnlärms im Rheintal?

Carina Konrad: Das fragen wir uns auch, das fragen wir uns ganz aktiv. Wir haben dazu eine schriftliche Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Vor allem in Bezug auf Oberwesel, wo ja gerade die Tunneldebatte sehr heiß in der Diskussion ist. Das Land hat einiges getan, Andy Becht (Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau Rheinland-Pfalz) plädiert dafür, längere Züge fahren zu lassen. So ergeben sich in der Summe weniger Züge. Die Flüsterbremsen, so sagen die Menschen, hätten schon etwas bewirkt – es sei besser geworden. Aber insgesamt ist es natürlich immer noch laut. Den Bahnlärm auf kurze Sicht aus dem Tal herauszubekommen, halte ich nicht für realistisch. Man muss versuchen, den Lärm zu verringern und erträglicher zu gestalten. Das kann beispielsweise über die Technik gelingen oder über verringerte Geschwindigkeiten. Man sollte sich auf machbare Lösungen konzentrieren, nicht auf irgendwelche Utopien.

Christof Wolf fragt: Wie sieht es im Rheintal mit dem Ausbau der Mobilfunknetze aus? Sind für schwer zu erschließende Gebiete Kooperationen zwischen den Anbietern geplant? Dazu gehört auf Bundesebene die Öffnung von LTE für alle Provider.

Wir leben im Jahr 2018, da ist es schon schwer zu verstehen, dass wir hier so schlecht erschlossen sind. Das treibt nicht nur mich um, das treibt unsere gesamte Fraktion um. Ich habe den Eindruck, dass nun auch die Parteien darüber sprechen, die verantwortlich sind, solche Sachen anzustoßen. Es müssen Cluster gebildet werden: Wer Sahnestücke unter den Gebieten ausbauen und für sich beanspruchen möchte unter den Anbietern, muss auch andere Gebiete, die vielleicht nicht so lukrativ sind, mit erschließen. Anders wird das bundesweit nicht zu lösen sein. Aber wir hängen da echt hinterher, wir haben teilweise nicht nur Funklöcher, sondern ganze Funkschluchten. Darunter leiden auch Firmen, für die ist eine schlechte Internetverbindung oder ein schlechtes Mobilfunknetz ein Wettbewerbsnachteil. Der Rhein-Hunsrück-Kreis hat sich als Modellregion nach der 5x5G-Strategie (sie hier, Seite 35) beworben, das unterstütze ich auch. Das hat uns veranlasst, mal nachzufragen, wie überhaupt die Planungen diesbezüglich aussehen. In der Antwort, die wir erhalten haben, stand jedoch im Grunde nichts drin. Da werden wir nachhaken. Eine Riesenbaustelle, da haben wir den Anschluss verpasst. Als Industrienation verschlafen wir den digitalen Wandel. Ich bin überzeugt davon, dass es nicht gut ist, dass wir uns das leisten.

Maximilian Jäckel fragt: Wann kommt endlich die Mittelrheinbrücke?

Ich glaube, das müssen wir den Landrat fragen. Grundsätzlich ist es ein Unding, dass wir auf so vielen Rheinkilometern keine Möglichkeit haben, auf die andere Seite zu kommen. Wo die Brücke am Ende gebaut werden soll, da kann man im Einzelfall noch drüber streiten. In der Debatte sind manche Gemüter überhitzt, dabei wurde irgendwann völlig übersehen, wie wichtig eine Brücke für die Entwicklung und das Zusammenwachsen des Tals ist. Meine Meinung dazu ist klar: Wir brauchen die Brücke.

Karl Heinz Goerke fragt: Im Tal sind nicht nur öffentliche Investitionen gefragt, sondern es müssen auch die privaten Beteiligten davon überzeugt werden, dass sich ein finanzielles Engagement lohnen könnte. Wie kann das gelingen?

Das Tal zeichnet sich aus durch die Landschaft, der Tourismus ist also eine Schlüssel-Branche für die Wirtschaft. Große Unternehmen werden sich im Tal nicht ansiedeln, die zieht es auf die Höhen. Um einen Hotelier beispielsweise zu überzeugen, sein Hotel zu renovieren, braucht er die Sicherheit, dass auch Touristen hierherkommen. Da kann das Land schon etwas für tun, indem es das Tal als Tourismusstandort bewirbt. Da wird die Bundesgartenschau sicherlich auch einen positiven Effekt haben. Das Engagement muss von privater Seite kommen, von den Leuten vor Ort. Die Politik kann nur die Rahmenbedingungen schaffen, Anschubförderungen und Ideen liefern. Häufig hängt es ja auch an den Köpfen vor Ort, wie sehr sie es schaffen, die Menschen mitzuziehen.

Christoph Bröder: Kann es denn für die Entwicklung förderlich sein, wenn das Tal in fünf Landkreise unterteilt ist? Und noch dazu auf zwei Bundesländer verteilt? Oder ist nicht alleine das schon ein Hindernis?

Ob es einen Austausch zwischen den Landkreisen gibt, das hängt auch von den Köpfen ab. Es gibt Kreise, da finden sich aktive Verbandsgemeindebürgermeister, die auch auf andere zugehen. Es gibt aber auch die Gegenbeispiele, von denen man nichts hört. Ich glaube, da könnte mehr zusammengearbeitet werden. Wir haben ja ein gemeinsames Interesse, das sollte sich nicht über Parteifarben definieren.

Marcel D’Avis fragt: Wie kann das Tal für Jugendliche und junge Familien interessant bleiben beziehungsweise werden?

Es muss Arbeitsplätze geben. Wer hier Arbeit hat, wird sich hier auch gerne niederlassen.

Christoph Bröder: Wenn sich hier aber keine großen Firmen ansiedeln werden, wo sollen die Arbeitsplätze herkommen? Bleiben dann nur die Tourismusbranche und das Pendeln aus dem Tal heraus?

Pendeln muss man ohnehin, ohne Auto kommt man hier in der Region nicht weit. Und es ist keine große Entfernung, wenn man beispielsweise auf den Hunsrück fährt. Dort gibt es etliche Industriegebiete, zum Beispiel in Simmern oder Rheinböllen. Außerdem zur Attraktivität für junge Familie trägt natürlich bei, dass Kindergarten und Schule in erreichbarer Nähe liegen. Sport- und Kulturangebote dürfen ebenfalls nicht fehlen. Wobei ich bei Letzterem glaube, dass das falsch bewertet wird. Wir haben durchaus reichlich kulturelle Angebote in den ländlichen Gebieten.

Christoph Bröder: Da stimme ich zu, allerdings gilt das vor allem für die Sommermonate. Im Winter sieht es hier wohl anders aus, was kulturelle Angebote betrifft.

Zum Schluss noch zwei Fragen, die ich allen Menschen stellen möchte, die ich treffe: Was ist typisch Mittelrhein?

Wein (lacht).

Und was könnte im Tal besser laufen?

Bessere Vernetzung im Tourismus, mehr Menschen ins Tal locken. Vielleicht können wir ja auch die Hunsrücker mehr begeistern, am Wochenende ins Tal zu fahren.

2 Kommentare

  • Gudrun Hees says:

    Zum Thema Mobilfunk: Man hat zugelassen, dass ein Anbieter (e+) komplett vom Markt verschwindet … dumm, ganz dumm! Weniger Wettbewerb bedeutet nicht ein besseres Angebot.O-2 konsolidiert die Standorte. Das bedeutet, baut ab, wo es geht! Mehr Kunden haben weniger Netz zur Verfügung. Sendeanlagen können nur eine begrenzte Menge an Telefonie und Daten. Man braucht also mehr und nicht weniger Standorte. Die Qualität von O-2 ist eine Katastrophe und das wird sich so schnell nicht ändern! Egal, was die Bosse erzählen. Bedeutet in der Konsequenz, dass die beiden anderen Netzbetreiber mehr bauen müssten, was sie leider nicht tun. Denn die Lizenzvorgaben, wieviel Bevölkerung sie versorgen müssen, sind ja bereits erfüllt. Hier muss die Politik massiv Druck auf die Netzbetreiber machen, sonst sparen die ihr Geld!!

  • Jens Lichtenthäler says:

    Lieber Herr Bröder,
    mit diesem Artikel haben Sie sich der Problematik bereits gut genähert. Es geht aber auch noch viel tiefer. Sie müssen einfach der Strasse entlang gehen und auf die Dinge achten die Ihnen da begegnen. Der Tourismus soll entwickelt werden! Was macht man in diesem Sinne? Alles um die Gäste zu fern zu halten. Nehmen Sie einmal Platz in der „Fußgängerzone“ in St. Goar, trinken Sie einen Kaffee, ziehen Sie aber die Füße ein.
    In Oberwesel gibt jetzt eine Beach – Bar in den Grünanlagen. Na ja! Die Grünanlagen um dieses Objekt wird dann ganz selbstverständlich als Parkplatz genutzt, oder es steht noch ein Traktor auf dem Fuß-/Radweg.
    Von der Veraltung werden immer wieder Erfolge im Tourismus gemeldet. Offensichtlich werden diese Meldungen nie verifiziert. Ein Hotelier in Kaub hat mir einmal gesagt, dass diese Zuwächse in Kaub mehr oder weniger auf die sehr gut frequentierte Jugendherberge zurück gehen.
    Ein Hotelier in St. Goar teilte mir mit, dass die durchschnittliche Verweildauer seiner Gäste 1 bis 2 Tage beträgt.