Karo ist das neue Beige

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Sie sind überall. Karohemdenträger am Mittelrhein. (Foto: Timo Stein)
Sie sind überall. Karohemdenträger am Mittelrhein. (Foto: Timo Stein)

In Berlin geht die Angst um. Der CDU-Politiker Jens Spahn warnt vor hipsterisierten Parallelgesellschaften. Die Hauptstadt hat ihre Hipster. Der Mittelrhein Karohemd und Erdbeerbowle.

Wahlkampf ist, wenn sich Medien darüber aufregen, dass doch eigentlich Wahlkampf ist, Angela Merkel davon aber nichts wissen will. Fällt dieser Umstand in das berüchtigte Sommerloch, jene Zeit im Sommer, wenn Politik und Wähler urlauben und das politische Berlin erst wieder so langsam Ende August mit selbstgefälligen Sommerinterviews vor blumiger Kulisse aufersteht, dann bleibt viel emotionaler Raum für Themen, die im normalen Betrieb nicht so heiß gegessen werden. Dann laufen Krebse durch Berlin, Wölfe durch Ostdeutschland, dann entdeckt Jens Spahn eine Parallelwelt.

Der hatte sich in einer großen deutschen Zeitung über zu viele englischsprechende Kellner in bestimmten Berliner Bezirken aufgeregt. Über junge Leute aus aller Welt, die unter sich bleiben. Für Spahn „eine völlig neue Form von Parallelgesellschaft“. Kaffeeeske Parallelwelten. Der arme Jens Spahn. Da will der nur einen Kaffee trinken und eine Streuselschnecke bestellen und landet in einer durchgentrifizierten Siebträgerschattenwelt, umringt von englischsprechendem Personal, das Bärte wie Zuckerwatte durch den Altbau trägt.

Berlin ist weit weg, werden Sie sagen. Stimmt. Aber auch hier gibt es Grund zur Sorge. Denn: Auch am Mittelrhein gibt es Parallelwelten. Die haben allerdings weniger mit Gesichtsbehaarung und Sprache zu tun. Der Hipster am Mittelrhein trägt kurzärmelige Karohemden, trinkt Erdbeerbowle, fährt Elektrorad und lässt Apfelstrudel auf Flammkuchen folgen.

Eine Leserin hat mich auf die Karohemdeninvasion am Mittelrhein aufmerksam gemacht. Sie zählte bei einer Wanderung bei Oberwesel innerhalb einer Minute über 40 Karohemdenträger. Und: Sie hat vollkommen recht. Sie sind überall. Seither sehe ich nur noch Karohemden. Das Mittelrheintal ist Karohemdenland.

Der typische Karohemdenträger ist männlich, um die sechzig, an seiner Seite die Karohemdenhipsterfrau. Sie kommunizieren meist nonverbal. Sie verwaltet das Geld, fährt in der Regel in Zehn-Meter-Abständen hinter ihm her, achtet auf seinen Sonnenschutz und übernimmt die Kommunikation mit Fremden. Der eigentliche Karohemdenträger spricht eher selten. Und wenn dann in Hauptsätzen. Kehrt das Karohemdenhippsterpaar irgendwo ein, wird sie vorgeschickt, um das Nötigste zu regeln.

Dass das ästhetische Empfinden beim modernen Menschen im Gelände aussetzt und durch zwiebelschichtige Funktionskleidung überkompensiert wird, ist allerdings kein neues Phänomen. Am Berg und auf Wanderung hat Ästhetik offenbar nichts verloren.

Der neue Karohemdentrend aber hat noch ganz andere Folgen: Das ungeschriebene Gesetz, dass Menschen ab einem bestimmten Alter wie von Zauberhand in die Beigephase übertreten – es gilt nicht mehr. Karo ist das neue Beige.

Das eigentliche Sommerloch kann nix dafür. Nichts für die Spahns, nichts für Wölfe oder Krebse. Nichts für Karohemden in Oberwesel. Denn das echte Sommerloch ist ein kleines Dorf am Rande des Soonwalds und liegt mit seinen 160 Bewohnern natürlich nicht unweit des Mittelrheins. Karohemdenträger wurden dort nicht gesichtet. Noch nicht.

9 Kommentare

  • Ruth P. says:

    Hey, anstatt ueber touristische Menschen jenseits der 65 zu laestern, koennte man sie auch bewundern, dass sie sich interessieren, umsehen, rausgehen, teilnehmen, anstatt sich vor dem Fernseher zu verkriechen. Egal wie unsportlich, ungeuebt, unsicher wohl nicht, sie trauen sich ja noch!

  • Freihold von Radelsberger says:

    Ein Rentner radelt am Rhein entlang
    Der Accu hält in in der Mang
    Doch wird dem Rentner bald recht bang
    E-biked er zu lang am Rhein entlang.

  • Birgit says:

    Ach ja, ist doch immer wieder schön, sich eine vermeintlich absonderliche Gruppierung heraus zu greifen (vorzugsweise die „Alten“) und ein wenig zu spotten. Spitzfindig und witzig zu lesen, aber auch ein bisschen gemein. Schon mal überlegt, ab wann du selbst dazu gehörst und über welche deiner Gewohnheiten sich die Jungen lustig machen werden?

    • Timo Stein says:

      Das Schöne ist, wir alle werden alt. Und ich hoffe, dass dann noch genügend Humor übrig ist, um kräftig mitzulachen.

  • Ich hau mir auf Schenkel – Satire pur .

  • Roger says:

    Jeder wird.mal alt, und wtf wie sollten Junge hier von Montag bis Freitag herkommen können. Das OMRT steht fuer mich stellvertretend fuer viele Gegenden unseres Europa.

  • Peter Babnik says:

    Und das Rheinland hat das „humanistische Peter-Blau“. Der rheinische Humanismus hat schon so manches Mal der damaligen „Bonner-Republik“ geholfen. Nun ist es an der Zeit, dass das „humanistische Peter-Blau“ auch in Berlin vertreten ist. Denn das „humanistische Peter-Blau“ steht für: march for science, menschenzentrierte Politik, Vielfalt und Buntheit unserer Gesellschaft und kommt aus der #humanistischenMitte unserer Gesellschaft. Humanisten und Humanistinnen waren und sind stets die Säulen unserer Gesellschaft 0(gewesen). Dazu gehört auch ein „reflektierte Religiösität“. Das „humanistische Peter-Blau“ (es handelt sich um den Farbton „royal Blau“) ergänzt gut das SPD-Rot von Detlev Pilger und das CDU-Rot von Josef Oster, denn das „humanistische Peter-Blau“ kandidiert NUR für die ERSTstimme (=PETERstimme) und wenn das „humanistische Peter-Blau“ die meisten ERSTstimmen bekommt (er ist der Konsenskandidat!, da OHNE Partei), dann sind zum ersten Mal 3 Menschen (=3 Trümpfe) aus einem Wahlkreis (199, nein, es ist nicht der WK von Andrea Nahles, denn es gab eine Umbenennung im April 2016!)in Berlin vertreten.Das „humanistische Peter-Blau“ unterscheidet sich deutlich vom AfD-Blau, denn die ZWEITstimme wird #BabnikForBundestag NICHT der AfD geben! Es gibt sicherlich das „humanistische Peter-Blau“ auch in Karohemdform. Die Erdbeerbowle (es sei an das Erdbeerfest in Moselweiss erinnert) gibt es natürlich auch in non-alcoholic version. Ist dies vegan? Die Musik auf http://www.peterbabnik.de ist es auf jeden Fall, denn als Flexitrier unterstützt er die „Vegane-Idee“ und bei der Aufnahme kamen keine Tiere zuschaden!
    Kurz: das „humanistische Peter-Blau“ hat eine Chance verdient. Die ERSTstimme ist die PETERstimme FÜR Koblenz UND Umgebung! Am Sonntag, den 24.09.2017 wählen gehen! Denn eine hohe Wahlbeteiligung hilft uns allen. 1. wir wissen, was wir wollen und 2. wird die Demokratie gestärkt. Stets dialogbereit grüßt http://www.peterbabnik.de.

  • Birgitta says:

    Kaffeeeske Paralelwelten – sehr schön.

  • Gabriela says:

    Ein weiteres Phänomen ist , das touristische Menschen jenseits der 65 sich lemmingartig aufs Rad schwingen , in oftmals albernen Papageienklamotten , egal wie unsportlich, ungeübt oder unsicher sie sind …