Eingeschlossen im Schloss

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Die Alliierten spielten später in diesen Rüstungen Ritter

Gemäuer und ihre Geschichte: Das Schloss Stolzenfels gilt als „Perle am Rhein“. Zum Ende des zweiten Weltkrieges floh ein ganzes Dorf dorthin. Die Amis spielten Ritter, ein Ehepaar schlief im Königsbett und Bomben flogen aus dem Fenster. Ein Zeitzeuge erinnert sich.

Schloss Stolzenfels als Fluchtpunkt

Die amerikanischen Soldaten haben damals gesagt: „Bis dahin dürft ihr. Nicht weiter. Da, hinter dieser Linie, wo das andere Pflaster beginnt, da wird geschossen“, so fängt Reinhold Gottwald an, sich an das Ende des Krieges zu erinnern. Er ist Vorsitzender des Fördervereins Schloss Stolzenfels – und hat in der kleinen Ortschaft südlich von Koblenz ein Leben lang gelebt. Der 77-jährige kann stundenlang von der Geschichte des Gemäuers erzählen: 1842 zogen König Friedrich Wilhelm IV und seine Königin mit großem Gefolge und Fackelzug in das Schloss ein. Ritter residierten hier, Franz Liszt machte Musik und Queen Victoria wollte gar nicht mehr gehen. Nur über den jüngeren Teil der deutschen Vergangenheit liest man in all den Broschüren wenig. Dafür kann Gottwald sich selbst noch daran erinnern. Als kleiner Junge erlebte er hier das Ende des zweiten Weltkrieges. Ein Protokoll:

„Ich war sechs Jahre, als die Amerikaner mit Panzern und Lastwagen vom Hunsrück runterkamen. Das muss Mitte März 1945 gewesen sein. Da saß das ganze Dorf Stolzenfels unten in den zwei Bunkern bei der Kirche und bei der Schule. Meine Mutter war Rot-Kreuz-Schwester. Sie musste die weiße Fahne halten, als die Alliierten anrückten. Dann sind die Amis mit dem Pastor durch den Ort gelaufen und der hat sich dafür verbürgt, dass hier keine Soldaten mehr sind.

„Bis zu dieser Linie und nicht weiter“: Reinhold Gottwald erinnert sich an das Kriegsende auf Stolzenfels

Weil auf der anderen Rheinseite aber noch geschossen wurde, hat der Kommandant gesagt: „Alle aufs Schloss!“ Und so haben die Dorfbewohner für drei Wochen auf dem Schloss Stolzenfels gelebt. Die meisten waren Frauen und Kinder und ältere Männer. Wir waren vielleicht 100 Leute. Wir haben in dem Turm gewohnt, wo heute das Kassenhäuschen ist. Da sind uns die Matratzen von der Wand gefallen, als drüben die Brücke gesprengt wurde. Die waren an die Mauern gelehnt gewesen und wurden durch den Druck der Explosion alle umgeworfen.

In diesen wirren letzten Kriegswochen wurden wir dann also von den Amerikanern verpflegt. Ich habe das erste Mal einen Schwarzen gesehen, der gab mir Kakao. Dort, wo jetzt der Baum im Hof steht, mussten wir unsere Metallbecher hinstellen. Die wurden dann gefüllt und wir durften sie uns abholen. Da wurde nicht viel nachgedacht. Es wurde gefragt: Wer verpflegt uns? Wo können wir schlafen? Die Räume waren groß genug. Es gab genügend Matratzen. Und es gab ja auch das Bett, in dem der König gepennt hat. Da hat ein Ehepaar drin geschlafen.

Als die Amerikaner kamen, hatten wir keine Angst mehr. Aber an die Bombenangriffe erinnere ich mich noch heute. Wenn ich eine Propellermaschine höre, ducke ich mich weg. Wenn die JU52 hier mit Touristen durchs Mittelrheintal fliegt, dann gehe ich voll in Deckung. Das hängt noch zu tief drin.

Auf Schloss Stolzenfels gab es – toi toi toi – nur eine einzige Brandbombe. Die kam schräg durch das Fenster in den Raum. Die älteren Herren, die während des Krieges hier oben waren, haben schnell reagiert. Und das Ding gleich wieder aus dem Fenster rausgeworfen.

Als dann die Kämpfe vorbei waren, haben sich die Amerikaner die Rüstungen angezogen und Ritterkämpfe nachgestellt. Nicht ernsthaft, aber für die war das was ganz Neues. Unser Pfarrer hat dann die erste Messe hier gehalten im Pergolagarten, mit Amerikanern und mit Deutschen. Für die Amis war das ein Erlebnis. Uns hat das alte Königsschloss Zuflucht geboten.“

7 Kommentare

  • hanns hermann hager says:

    hallo frau burgenblogger.in.
    sie werden demnächst einen roten din a 5 Brief erhalten mit viel Themen, die nix mit siff zu tun haben, aber z.b. mit Freistaat Flaschenhals ..wat is dat denn.. oder der Flößerei bis in die 50 er jahre. Fledermäuse in steg oder über die arbeit im Weinberg. über mehr als 2000 jahre geschichte und Kultur am RHEIN… vergleichen sie mal das mit ihrer Heimat…. sie können ja auch die Mentalität der Ostfriesen mit der der münchener vergleichen…
    Rheinisch …jeder mensch is annerst
    liebe grüße

    hannes

  • Mona Jung says:

    Danke für diese etwas andere Geschichte von meinem Lieblingsschloss.

  • Tim says:

    Wenn hier die JU übers Tal fliegt finde ich das immer super. Hab mir noch nie darüber Gedanken gemacht das es Menschen gibt die davon Angst bekommen. Danke für diese Zeitgeschichte!

    • Frauen_vor_Flusslandschaft says:

      Im spanischen Bürgerkrieg zum Beispiel (1936-1939) fanden beileibe nicht alle Menschen das Geräusch der herannahenden JU 52 „super“. Denn da diente die JU 52 der von Hitler nach Spanien geschickten „Legion Condor“ als Bomber (Stichwort Guernica). Eine Tatsache, die hierzulande nur allzu gern verschwiegen wird – immer noch.

  • Siggi says:

    Eine gute Geschichte aus Zeiten, denen man in unserer Zeit häufig aus den Weg geht.
    Sie zeigt auch, dass die Alliierten nicht nur böse Menschen waren, wie oft heute noch erzählt.
    Es gab unter den Amerikanern und auch unter den Russen am Ende des Krieges Menschen wie du und ich. Menschen die helfen wollten und geholfen haben.
    Dies hatte mir in den 60 er Jahren meine Mutter damals erzählt.
    Siggi

  • Jan says:

    Oh, Danke fürs Linken (hach, endlich mal was Historisches ;-)

  • Grenzgänger says:

    Eine schöne Geschichte liebe Jessica. Gut, dass es noch Zeitzeugen gibt. In wenigen Jahren ist das vorbei. Einen lieben Gruß aus Bayern, Alfons