Am vergangenen Wochenende am 10. und 11. September habe ich das Obere Mittelrheintal mit dem Kajak durchquert. Bei besten Bedingungen habe ich mit meinen Mitpaddlern viele neue Perspektiven auf das Tal gewonnen. Noch habe ich gar nicht alle Eindrücke wirklich verarbeiten können. Hier sind schon mal die ersten von einem belebten, beeindruckenden und manchmal auch gefährlichen Fluss.
Der Rhein ist die Lebensader des Mittelrheintals. Das sagt sich leicht, aber es ist nochmal was anderes, wenn man es direkt vom Wasser aus erlebt. Die Menschen leben an, auf und mit dem Fluss, wie vielleicht nirgendwo sonst in Deutschland. Das wird mir klar, nachdem wir die 70 Kilometer lange Strecke “von Burg zu Festung” hinter uns gebracht haben.
Nachdem wir mit unserer Gruppe um 14 Uhr in Oestrich-Winkel gestartet sind, erreichen wir zunächst Rüdesheim. Nirgendwo ist so viel los auf dem Wasser wie hier. Überall spielen Kinder mit ihren Familien auf Sandbänken und Kiesstränden, planschen, sammeln Muscheln. Jungs kurz vorm Großwerden titschen hoffnungsvoll ihre Angeln ins Wasser. Junge Mäner protzen mit den PS ihrer Jetskis und geben sich große Mühe, dem Bahnlärm Konkurrenz zu machen. In ein paar Jahren (oder Jahrzehnten) werden sie wahrscheinlich auf ein Motorboot umsatteln, ihren Wohlstand mit stattlichen, sonnenverbrannten Bäuchen unterstreichend. An einem der vielen Werthe ankern sie, grillen, trinken Bier, während ihre blonden Frauen das Sonnenstudio für diese Woche sparen. Wer sich kein eigenes Boot leisten kann, geht dafür bei der “Stolzenfels”, “Ehrenfels” oder “Goethe” an Bord, lässt die Landschaft an sich vorbei ziehen und staunt über die zahllosen Panoramen, immer die Kamera im Anschlag.
Und irgendwo dazwischen sind wir, ein paar Kajakfahrer in ihren Booten, immer wachsam, damit wir nicht aus Versehen übersehen werden im Gewusel auf dem Wasser. Wir sind die kleinsten Lichter auf dem großen Fluss. Aber dafür haben wir die größte Freiheit. Wir erreichen jede Stelle auf dem Wasser, kommen auch dahin, wo alle anderen Boote passen müssen. Ich lasse es mir nicht nehmen, kurz die Pfeiler der alten Hindenburg-Brücke anzusteuern, deren steinerne Überreste unverrückbar im Fluss stehen. Hier stand also die letzte Brücke über den Rhein im heutigen Welterbe-Gebiet. Am Mäuseturm kreuzen wir erstmals den Fluss, um die linke Durchfahrt direkt an der Nahe-Mündung nehmen zu können.
Am Abend des ersten Tages erreichen wir Kaub. Es ist schon nach sechs, die kleine Personenfähre fährt nicht mehr. Kein Problem, wir setzen mit einem Kanu über und beziehen unser Quartier in der Jugendherberge. Später wollen wir noch rüber nach Oberwesel zum Weinmarkt. Doch nicht mal eine Großveranstaltung mit zehntausenden Besuchern bringt die Kauber Fähre dazu, ihre Fährzeit zu verlängern. Punkt acht gehen am Anleger die Lichter aus, zu früh für uns. Erst nach dem Feuerwerk zwischen eins und halb zwei wird es noch mal eine Sonderfahrt geben. Also nehmen wir den Umweg mit dem Zug über St. Goarshausen, setzen dort über und fahren mit dem Taxi zurück nach Oberwesel. Mittelrhein, wie er leibt und lebt. Auf dem Weinmarkt leibt und lebt dann aber die beste Seite der Region. Tolle Stimmung, Weingenuss, Feuerwerk und viele nette Begegnungen mit bekannten Gesichtern versöhnen uns mit der umständlichen Rundtour.
Am nächsten Tag nutzen wir das perfekte Wetter und die Morgensonne erstmal für eine ausgiebige Fotosession an der Burg Pfalzgrafenstein. Dann machen wir uns auf in Richtung Loreley, die nicht nur landschaftlich ein Höhepunkt der Tour ist. Hier gilt es für uns Paddler, die höchste Aufmerksamkeit walten zu lassen. Die Fahrrinne wird nun immer schmaler, auf der linken Flussseite beträgt bei dem niedrigen Wasserstand der Abstand zum Ufer nur wenige Meter. Wir halten uns darum rechts auf der Innenseite der Kurve. Direkt hinter uns folgen ein paar Freizeitpaddler, die sich offenbar weniger Gedanken um ihre Route machen und eine zeitlang mitten auf dem Fluss umherkreuzen. Ist es Leichtsinn, Unvermögen oder Unwissen? Käme jetzt ein schneller Talfahrer unvermittelt aus der Kurve, wären sie in Schwierigkeiten. Mein Mitpaddler Norbert berichtet mir, dass ihm an dieser Stelle die Wellen schon bis zum Hals gegangen sind. Doch heute ist wenig Verkehr, so dass alle ohne besondere Vorkommnisse diesen anspruchsvollen Abschnitt passieren.
Nachdem wir zwischen St. Goar und St. Goarshausen durch sind, haben wir die hektischsten Flussabschnitte hinter uns gelassen. Das Flussbild wandelt sich. Der Rhein wird nun wieder breiter, wirkt dadurch träger, obwohl die Fließgeschwindigkeit nach wie vor hoch ist. Wir schaffen gut zehn Kilometer in der Stunde, manchmal sogar etwas mehr. Nun wird es aber Zeit für eine Pause. In Osterspai, direkt vor dem Bopparder Hamm, kehren wir ein. Außerdem nutzen wir die großartige Kulisse des Hamms noch für ein paar Fotos. Dann geht es an den Endspurt. Nun entdecke ich ein paar Orte, die ich vorher noch gar nicht so richtig auf meiner Karte hatte.
Vom Wasser aus bekomme ich erstmals einen Blick auf das tolle Ortsbild von Spay mit seinen verspielten Fachwerkhäusern und der grünen Uferpromenade. Das sieht sehr einladend aus und ich nehme mir vor, hier noch mal vorbeizukommen. Genau darum wollte ich diese Paddeltour unternehmen: Weil ich mir sicher war, dass ich das Mittelrheintal aus einer neuen Perspektive erleben würde. Doch sie steht schon kurz vor dem Ende. Vor uns erhebt sich bereits Schloss Stolzenfels, sichtbares Zeichen, dass wir nun Koblenz erreichen. Das ist aber auch gut so, denn die vielen Kilometer Paddelei stecken uns doch in den Knochen. Wir steuern den Post SV Koblenz in Oberwerth an. Der Verein hat uns gastfreundlicherweise sein Bootshaus zur Verfügung gestellt, wo wir uns umziehen und duschen können.
Ziemlich k.o., aber auch stolz auf unsere Paddelleistung, wuchten wir uns aus den Kajaks. 70 Kilometer liegen hinter uns auf einem der abwechslungsreichsten und eindrucksvollsten Flussabschnitte, den ich je gepaddelt bin.
3 Kommentare
‚ Also nehmen wir den Umweg mit dem Zug über St. Goarshausen, setzen dort über und fahren mit dem Taxi zurück nach Oberwesel. Mittelrhein, wie er leibt und lebt. ‚
Allerdings würde sich auch mit einer Mittelrheinbrücke daran nichts ändern, die ist ja bei Wellmich geplant, da hält noch nicht einmal ein Zug. Man könnte dann nur mit dem Taxi von Kaub nach Oberwesel durchfahren.
Ich habe auch nicht gesagt, dass ich mir in dieser Situation eine Brücke gewünscht hätte. Hier lag das Problem eher woanders ;)
Tja Burgenblokker ,Dein Kommentar war wirklich prima. Der Rhein kann schon ziemlich tuekisch sein.Selbst mochte ich nie im Rhein schwimmen,hat aber mit was anderem zu tun,aber was ich nicht durfte hab ich doch stieckem getan.Nun auf dem Oberweseler Weinmarkt bin ich auch schon lange nicht mehr gewesen,es gefallen mir darum Deine Kommentare extra gut,hoere auf diese Art und Weisse so einiges aus meiner Heimat,wohne immers schon seit 1960 hier in Holland,wenn ich Fehler schreibe bitte nicht hingucken ,habe so das ein und andere verlernt.
Gruesse das Rheintal von mir,lach. Maria Schmelzeisen.