Wie ich mit einem Bein versuche sesshaft auf der Burg Sooneck zu werden, und mit dem anderen Bein ständig unterwegs bin im Mittelrheintal. Eine Geschichte in sieben Bildern
Und was machst du jetzt als Burgenbloggerin? Fragen mich alle. Ich taste mich heran. In konzentrischen Kreisen reise ich um die Burg Sooneck herum und gucke mir die Gegend an. Mal probiere ich, mal provoziere ich. Hier ein romantisierender Abklatsch der ersten drei Wochen:
Zu Gast war ich in der historischen Weinwirtschaft in Oberwesel. Völlig zu unrecht wird sie von Stammgästen gern „hysterische Weinwirtschaft“ genannt. Dabei ist Wirtin Iris doch das genaue Gegenteil, sie ist gelassen, großzügig und erzählt die schönsten Kneipengeschichten. Sie hat sogar ein Bett in ihr Wirtshaus gebaut, die Schloafstubb. Ich durfte sofort am Stammtisch sitzen. Bei Siggi, Sieke & Co. Die haben mir gezeigt, dass sie immer ein paar Milchreiskörner in ihre Weinschorle tun. Dann sprudelt’s so schön. Der Siggi bringt dafür sogar seinen eigenen Becher Milchreis mit. Den streut er dann ins Duppe-Glas und freut sich. Wir hatten einen guten Abend.
Dann saß ich in Stübers Restaurant in Bacharach und habe gestaunt, wie nah an meinem köstlichen Teller Spargel die Güterzüge auf der Stadtmauer vorbeifahren. Die reizenden Wirtsleute kümmert’s kaum. Das gleiche Bild bei Said in Niederheimbach. Der Afghane betreibt den Viertäler-Imbiss, er ist jetzt mein Falafel-Dealer Nummer 1 (hat ja sonst auch nichts offen hier in Niederheimbach…). Egal ob bei Gourmetküche oder Schnellimbiss, immer wieder rauschen vor der Tür die Güterzüge vorbei. Die Leute, die hier schon lange leben, reden dann einfach weiter. Mit mittelrheinischem Stoizismus sprechen sie bei gleichbleibender Lautstärke gegen den Bahnlärm an. Sie brüllen nicht, sie schweigen nicht. Sie tun einfach so, als gäbe es die Züge nicht. In diesem Gesprächsmomenten, so habe ich gelernt, muss man Lippenlesen und nicken.
Noch einen Klassiker habe ich abgehakt: Ich war auf dem Rheinsteig wandern mit einer Gruppe junger Menschen. Die waren aus Frankfurt ins Mittelrheintal gekommen. Städter auf dem Land! Junge Menschen im Mittelrheintal! Verrückt! Ein Pfadfinder unter ihnen hatte sie hergelockt, wohlwissend um die schönen Wanderwege. Ich hatte den sieben Zwergen den Frühstückstisch auf der Burg gedeckt und dann sind wir losmarschiert, von Lorch nach Kaub. Also war ich auch schon auf der „ebschen Seite“, wie die Linksrheiner hier sagen. Landschaftlich irre schön. Zwischendurch ein Weinausschank mitten im Wald, so muss das sein. In Kaub packte mich beim Rückweg ein bisschen der Blues, weil es alles so verlassen aussah. Vielleicht lag’s auch am Nieselregen. Oder an diesem Schild, das so trostlos ist, dass es nicht ins optische Konzept dieses Beitrags passt.
Wunderschön ist es aber auf der Burg Sooneck. Alltäglich werde ich es wohl nie finden, hier zu leben. So ein Wohnort verleitet zum Schwadronieren. Der soeben verblühte Flieder hat nun den Rosen die Klinke in die Hand gedrückt. Es duftet, es blüht, es hat Aussicht. Ich wundere mich, dass nicht mehr Touristen herkommen. Stünde diese Burg in Königs-Wusterhausen – sie würde sicher überrannt werden von Sehenswürdigern. Aber im Mittelrheintal, unter all den Diven, hat es Dornröschen ein bisschen schwerer aufzufallen.
Überhaupt: Die Burg ist ein großartiger Ort zum Schreiben, ja zum Bleiben. Man spürt ihre Historie in jeder Ritze. Auf der Sooneck wurde geboren und gestorben, hier gab es Ritter, Familien, Flüchtlinge. Im Grunde könnte man den lieben langen Tag nur von der Sooneck erzählen. Ist ja aber nicht meine Aufgabe. Trotzdem springe ich andauernd rum und fotografiere die Aussicht. Die Bilder traue ich mich dann aber nicht im Blog zu posten, weil ja alle von mir wahnsinnig aufklärerischen Journalismus erwarten und mich schon jetzt einige infantil finden. Naja, Kinners, ich will mal sagen: Es ist zu schön hier.
Langsam merke ich: Die Burg macht etwas mit mir. Ich liebe es, heimlich die Hände in den Rosmarin im Burggemäuer zu stecken. Aber ich vermisse die Möglichkeit einer Badewanne. Ich drehe den Plattenspieler richtig laut auf. Aber ich vermisse das Radfahren in der Stadt. Manchmal nerve ich die Sterne mit meiner Taschenlampe – und kann doch nie gegen sie anblenden. Ich lerne Gedichte auswendig. Ich beobachte meine neuen Haustiere, die Eidechsen, die Maus, die Schwarzmilane, die Falken, den Uhu. Die Nachbarn haben mir Akkordeonlieder über den Rhein zugesteckt. Ach, ich wollte die Sooneck nicht romantisieren… aber ich habe nichts gegen dieses Leben in der Hand.
Aus meiner heiteren Überforderung heraus, habe ich nun übrigens die Umfrage auf dieser Seite geändert. Da können meine lieben Lesenden jetzt angeben, wovon sie mehr erfahren wollen: Burg Sooneck, Bahnlärm, Portraits von Menschen, Brückenbau, Veranstaltungen? Hab ich was in meiner Liste vergessen?
Am Schluss noch ne Runde Nutzwert für alle, die oben beim zweiten Bild hängen geblieben sind: Bis zum 31. Mai läuft noch die Lärmaktionsplanung des Eisenbahn-Bundesamtes. Darauf haben mich meine Buddys von einer Bürgerinitiative hingewiesen. Der Kartenausschnitt fürs Mittelrheintal ist erstaunlich leer. Kann man mitmachen, wenn man mag. Oder ein bisschen den Ausblick auf den Rhein genießen. Gläschen Wein dazu?
13 Kommentare
Hallo Frau Burgenbloggerin,
verfolge gerne den Blog und finde ihn auch gut. Sie schreiben, die Burg macht was mit mir, finde ich sehr schön beschrieben. Könnte es aber auch sein, dass das Tal etwas mit Ihnen macht? Bisher bewegen sie sich mit Ausnahme der Bahnlärmdemo in Koblenz fast nur um Ihren eignen Burgturm. Vieleicht ist der Radius etwas größer, als bei den Einheimischen, aber das Tal ist 70 km lang. Ich wünsche mir Geschichten über das ganze Tal, was sticht heraus, wo gibt es was besonderes. Von Bachrach, Oberwesel und Niederheimbach habe ich schon einiges erfahren und was ist mit dem Rest ? Leider kann ich nicht abstimmen: Mehr vom ganzen Tal
ein Blog ist doch aus persönlicher Perspektive in Ich-Form, und kein Magazin oder Zeitung, das ist doch der Sinn des Bloggens.
Ich persönlich würde mich auch über ganz kleine Erlebnisse freuen, ich bin sicher Familie Maus lebt auf einer Burg anders als in einer Backstube? Soviel Geschichte in den Gemäuern atmet doch ganz anders, wenn man dort lebt, als würde man in einem Buch die reinen Fakten lesen, wer wann wo mit wem.
Auch das macht es im Blog doch zugänglich und persönlich, auch die Kneipen und andere Dinge, nicht wo sie sind und wann sie stattfinden, sondern die Begegnungen die stattfinden, der persönliche Eindruck.
Weiter so!
Hach, beim Lesen über Dein Leben auf der Burg hab ich eben etwas wie Heimweh in mir verspürt. Ja der Flieder ist toll und die Rosen auch. Das hatte ich schon alles irgendwie verdrängt die letzten Jahre….
Was Deine neue Abstimmung angeht finde ich es doch sehr Interessant wie unwichtig das Thema Bahnlärm scheinbar ist. Zumindest gab es bisher nicht viele stimmen dafür. Gut so.
Ich weiß nicht so recht was ich abstimmen soll! Mehr über die Burg oder Portraits von Menschen? Was ich mir wünsche ist beides zusammen! Es geht um die Menschen die nach dem Krieg auf der Burg gelebt haben. Davon würde ich gern mehr erfahren. Ich habe hier in Steeg mal einen alten Mann gekannt der einen sehr Strengen und Bestimmenden Tonfall hatte und der mir etwas Angst gemacht hatte. Irgendwann fragte er mich aber woher ich sei und ich erzählte Ihm dass ich auf Burg Sooneck gewohnt habe. Daraufhin brach dieser harte und furchteinflößende Mann in Tränen aus und erzählte mir dass er nach dem Krieg dort Leben musste. Scheinbar war diese Zeit aber so hart das er nichts Weiteres darüber erzählen wollte. Mich hat das nie richtig los gelassen und ich wollte Dir vor ein paar Wochen schon davon schreiben, aber ich war mir nicht zu 100% sicher ob er wirklich auf der Sooneck war oder ob es nicht doch eine andere Burg war. Ich habe auch nichts davon im Internet gefunden. Vor ein paar Tagen habe ich aber auf Deiner Seite einen Kommentar einer Frau gelesen die geschrieben hat das Ihre Mutter nach dem Krieg dort leben musste. Leider habe ich diesen Kommentar nicht mehr gefunden, sonst hätte ich diese Frau mal angeschrieben. Das wäre eine Interessante Geschichte denke ich. Interasant ist bestimmt auch warum dieses Thema in Niederheimbach verdrängt wird…..
Wir erinnern uns: ein weblog (blog) ist ein öffentlich geführtes Tagebuch und ein Tagebuch ist ein Ding, das die eigenen (ich würde ‚eigenen‘ gern unterstreichen, wenn ich nur wüsste, wie ;o) Eindrücke, Gefühle und Gedanken widerspiegelt … daher auch in den meisten weblog-Fällen in ‚Ich-‚ und ‚Mich-‚Form geschrieben … ;o)
Herzlich, Sandra T.
Zur Umfrage: das wichtigste Thema für mich ist die Zukunft des Rheintals alsTourismusregion. Ich habe seit 25 Jahren ein Geschäft in Bacharach und die Entwicklung in dieser Zeit ist alles andere als gut.leider wollen das viele nicht sehen und vor allem nicht an einem Strang ziehen um uns Konkorrenz fähig zu machen.Das eigene Süppchen kochen ist hier leider sehr verbreitet und wenn man versucht doch etwas zu bewegen,hört man immer weider den Kommentar :ach das bringt doch nichts,die machen ja eh nicht mit.Warum ist das so? Warum sind hier viele nicht in der Lage das große Ganze zu sehen und das es eigentlich schon fast 5 nach 12 ist,wenn hier nicht endlich ein Ruck durchs Tal geht und alle an einer gemeinsamen Identität als Tourismusregion arbeiten.Ich bin übrigens auch zugezogen und habe oft den Eindruck,das man von außen kommend mehr sieht und wahrnimmt,als ein Teil derjenigen die hier noch von den alten Zeiten schwärmen und glauben ihre Angebotsqualität von damals würde auch heute noch ausreichen. Reicht aber nicht,um eine zukunftsfähige Tourismusregion zu sein.Am meisten nerven da auch die ewigen Meckerer dieauch hier in den Kommentaren z.T.unterwegs sind.Meckern bringt nichts voran,nur anpacken und zusammenarbeiten hilft.Deshalb sehe ich auch eine große Chance für uns alle darin,dass die Burgenbloggerin von außen kommend mal auf uns blickt und auch Dinge aufzeigt,die hier viele nicht sehen wollen oder können.Aber auch ’schöne emotionale‘ Berichte sind klasse,weil sie zeigen welch fantastisches Potential diese Region hat.Wir müssen nur wirklich etwas daraus machen,was den heutigen Ansprüchen der Gäste gerecht wird.
Es gab in der letzten Legislaturperiode einen Ausschuss für Stadtentwicklung, städtische Liegenschaften, Fremdenverkehr und Kultur der nicht 1-mal getagt hat! Als ich das gehört habe konnte ich es nicht glauben! Die Stadt Bacharach lebt vom Fremdenverkehr und lässt trotzdem nicht einmal diesen Ausschuss tagen?! Das sagt schon einiges aus….
Ich wohne in Steeg und habe kein Geschäft, aber mir ist es trotzdem ein wichtiges Thema. Um genau zu sein gibt es 2 sehr wichtige Themen für uns hier: Demographie (betrifft das Leben der alten Menschen hier und auch der Jungen) und Tourismus. Da ich keiner bin der nur Meckert sondern die Themen anfassen und diskutieren will wollte ich letztes Jahr über die FWG in diese Ausschüsse rein. Ohne Erfolg. Irgendwie sind wieder diejenigen drin die immer drin sind, und jene die schon ewig hier Leben und gar nix neues wollen……. So ist zumindest mein Eindruck. Ob die neuen Ausschüsse mittlerweile getagt haben bezweifle ich auch. Dabei wäre es sooooo wichtig sich um die Belange der alten Menschen zu kümmern, so wichtig sich für die Jugend (unser aller Zukunft!) einzusetzen und etwas dafür zu tun das die hier bleiben und nicht alle auswandern. Auch der Tourismus ist wichtig weil es die einzige Einnahmequelle für unsere Region hier ist. Ohne das alles gehen auch nach und nach die Geschäfte kaputt und somit auch die Lebensqualität derer die hier wohnen!
Das Ich gehört für mich zum Format Blog! Die Erzählstruktur finde ich genau richtig! Die Spannung zwischen weggestrampelter Kitschumarmung und den Trostlosigkeiten des Alltäglichen. Einfach genau so weitermachen! Bloggen! Aus dem hohlen Bauch heraus durch’s Hirn! Der kritische Journalismus kommt von alleine wieder. Und ich würde gerne die Burggeschichten lesen. Von dem Getier und dem Gemäuer und dem Ich dazwischen. :)
@Klaus, die Überschrift hast du aber schon gelesen?
In diesem Artikel kommt 35 mal das Wort „ich“ oder „mich“ vor. Wieder ein Beitrag in dem es gefühlt nur um Frau Schober geht.
Wo ist eigentlich die alte Umfrage hin verschwunden? Diese wurde wohl schnell durch eine neue ersetzt, als sichtbar wurde, dass nicht das „gewünschte“ Ergebnis hervortritt.
Traurig.
Lieber Klaus,
die erste Umfrage war ein Testballon, ob das Abstimmt-Tool auf dem Burgenblog überhaupt genutzt wird. Die Ergebnisse waren derart erfreulich, dass ich es nicht für nötig hielt sie weiter zu kommentieren. Die Umfrage ist nicht gelöscht, sondern archiviert. Da ich die laufende Umfrage nicht offline stellen will, hier für Sie die Ergebnisse der ersten Umfrage:
Frage: Wie ist der Burgenblog?
Insgesamt: 194 Teilnehmende
75 sagen: Wunderbar, genau richtig!
49 sagen: Prima, kannste so lassen!
37 sagen: Fang erst mal an zu bloggen!
13 sagen: Hätt‘ ich besser gekonnt!
20 sagen: So überflüssig wie…
Beste Grüße
Jessica Burgenblogger Schober
Hey, lassen Sie sich bitte nur nicht entmutigen – und schon gar nicht von Leuten, denen der Futterneid aus allen Knopflöchern blitzt, und die Ihnen statt mit (begründeter) Kritik mit Beleidigungen („infantil“) kommen.
Steigen Sie stattdessen von Ihrer schönen Burg auch immer wieder hinab ins Tal, schauen Sie mit den Bloggerinnen-Augen auf alles, was da so abgeht. Lassen Sie uns wissen, was Ihnen dabei auffällt und wie Sie darüber denken. Halten Sie uns unerschrocken den Spiegel vor.
Und entdecken Sie noch viele Menschen, die hier ebenfalls etwas bewegen und bewegen wollen – diese werden sich sicherlich sehr freuen, wenn mal jemand über sie berichtet.
Und ich freue mich schon sehr auf Ihre nächsten Beiträge!
Sehe ich ganz genau so !
Ein lebendiger toller Blog voller Neugier und Entdeckerlust.
außerdem, was ist infantil eigentlich, lassen wir doch mal den beleidigenden Aspekt weg, das sich ein anderer nicht aus der Kinderzeit weiter entwickelt hätte, was ein Quatsch,
wer sich da nichts bewahrt im Leben, eine Freude oder Begeisterungsfähigkeit, ein Blick auf kleine Dinge, vor allem aber eben nicht verkopft, sondern im Hier und jetzt, wer sich da nichts bewahrt, hat verloren, nicht gewonnen.
Also nach meiner Meinung gehört zu einem ganzen Menschen, zu einem erwachsenen Menschen, das er verschiedene Aspekte in sein Dasein integriert hat, Weise Dinge, aber auch verspieltes, das ist nur positiv, mehrdimensional, glatt und einfach strukturiert gibt es doch genug!